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Interview

Tierschutzjurist Gieri Bolliger mit Esel Rocky. Bild: Jos Schmid

Für eine Welt ohne Tierleid

Von: Isabella Seemann

20. Februar 2018

Statt mit Action, Fanatismus und Emotionen kämpft Gieri Bolliger, Geschäftsleiter von Tier im Recht (TIR), mit seinem Team auf juristischer Grundlage für den Tierschutz – und dies mit Erfolg.

In welcher Weise fühlen Sie sich Tieren verbunden?

Gieri Bolliger: Tiere sind empfindungsfähige Lebewesen, die nicht für menschliche Zwecke, sondern um ihrer selbst willen existieren. Weil sie uns ausgeliefert sind, brauchen sie unseren Schutz. Dies hat in meinem Leben immer eine besondere Rolle gespielt. Ich betrachte Tiere als meine Freunde und empfinde es als grosses Glück, dass ich meine juristische Ausbildung mit ihrem Schutz verbinden kann.

Sie engagieren sich seit bald 20 Jahren für Tier im Recht (TIR). Hat Ihnen Ihre Arbeit schon den Schlaf geraubt?

Ja. Wir sind bei unserer Arbeit täglich mit den negativen Seiten der Mensch-Tier-Beziehung konfrontiert und sehen dabei sehr viel Tierleid. Einfach ausblenden kann man dies nach Feierabend natürlich nicht. Die Kunst besteht darin, die negativen Eindrücke und Emotionen in positive Energie umzuwandeln, um zwar beherzt, aber mit kühlem Kopf gegen die Missstände anzukämpfen.

Was macht Tier im Recht konkret?

TIR ist eine Tierschutzorganisation, die sich auf juristische Belange spezialisiert hat. Ein Kernanliegen ist, rechtliche Grundlagen für tierfreundlichere Gesetze zu schaffen, die dann auf politischer Ebene umgesetzt werden müssen. Zudem wollen wir die Öffentlichkeit für die Anliegen der Tiere sensibilisieren und bieten Dienstleistungen an wie einen unentgeltlichen Rechtsauskunftsdienst, die europaweit grösste Bibliothek zu Tierschutzthemen oder Ausbildungen für Tierhalter und Vollzugsbeamte.

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Unsere Arbeit zeichnet sich vor allem durch Entschlossenheit, Ausdauer, Kontinuität, Glaubwürdigkeit und rechtswissenschaftliche Fundiertheit aus.

Wo herrscht derzeit der grösste Missstand?

Das Schweizer Tierschutzrecht ist im internationalen Vergleich auf hohem Level, wenngleich es auch hierzulande noch viel zu verbessern gibt. Erhebliche Defizite bestehen aber im Vollzug, weil die zuständigen Behörden das verbindliche Gesetzesrecht nicht immer konsequent durchsetzen. In vielen Kantonen besteht hier grosser Nachholbedarf.

Was ist der Grund, weshalb es noch immer Missstände gibt?

Der Schutz von Schwächeren ist immer ein Spiegel der Gesellschaft. Das gilt auch für den Umgang mit Tieren. Vielerorts wird ihre Verwendung als Nahrungsmittel, Forschungsinstrumente, Unterhaltungsobjekte etc. noch immer als selbstverständlich betrachtet. Um dieser Gleichgültigkeit entgegenzutreten, ist ein grundlegender gesellschaftlicher Bewusstseinswandel notwendig. Ansätze dazu sind seit einiger Zeit feststellbar, es bleibt aber nach wie vor sehr viel zu tun.

Sollte jemand, der sich für Tierschutz engagiert, Idealist oder ­Realist sein?

Beides. Um sich über viele Jahre für den Schutz von Tieren einsetzen zu können, braucht es natürlich viel Idealismus und Herzblut. Das Ziel unserer Bemühungen ist eine Welt ohne Tierleid, was sich aber leider nicht so einfach von heute auf morgen verwirklichen lässt. Insbesondere auf Gesetzesebene ist daher ein Vorgehen schrittweise realistischer. Dieser Prozess ist langsam und für Idealisten – wie vor allem auch für die Tiere – oft unbefriedigend, letztlich aber erfolgversprechender.

Gieri Bolliger (49) ist Rechtsanwalt und Geschäftsleiter der Stiftung für das Tier im Recht (TIR). Der Bündner lebt seit 30 Jahren in der Stadt Zürich.

Weitere Informationen: www.tierimrecht.org

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