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Interview

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

23. Dezember 2019

Eine gute Streitkultur und harte Debatten mit unterschiedlichen Standpunkten – davon lebt die Politik. Deshalb werfen sich im «Tagblatt» alle zwei Wochen zwei Stadtzürcher Parteipräsidenten oder Fraktionspräsidenten in einem Schlagabtausch den Ball zu. Heute fordert Marco Denoth, Gemeinderat und Präsident der SP Stadt Zürich, Felix Moser, Gemeinderat und Präsident der Grünen Zürich, heraus.

 

Felix Moser, Gemeinderat und Parteipräsident Grüne Stadt Zürich

 Marco Denoth, Gemeinderat und Parteipräsident SP Stadt Zürich

 

Marco Denoth: Bald zwei Monate ist es her, dass die Grünen ihren grossen Erfolg bei den nationalen Wahlen feiern konnten. Der Sieg ging auf Kosten der SP, obwohl wir eigentlich ein deckungsgleiches Profil haben. Teilst du diese Meinung und was bedeutet das für unsere beiden Parteien?

Felix Moser:
Trotz ähnlichem Profil sehe ich Unterschiede zwischen Grünen und SP, zum Beispiel bei Grundrechten, Unternehmenssteuer, Autoarmes Wohnen, Landverkauf an Private. Bei anderen Themen arbeiten wir gut zusammen, kürzlich im Budget beim Veloverkehr oder Klima. Worin unterscheiden sich Deiner Meinung nach SP und Grüne?

Marco Denoth:
Uns ist der sozialverträgliche Klimaschutz extrem wichtig. Zum Beispiel im Wohnen: Jede Sanierung und jeder Ersatzneubau ermöglicht energieeffizientere Wohnungen. Das ist sicher gut so. Jedoch steigen die Mieten in diesen Fällen eigentlich immer. Die Folge ist Verdrängung und Gentrifizierung. Genau da muss der Finger draufgehalten werden!

Felix Moser:
Der grüne Baudirektor Neukom hat kürzlich die Anreize für klimafreundliche Sanierungen deutlich erhöht, das ist der richtige Weg. Letztlich werden die meisten Klimamassnahmen mit Kosten verbunden sein – nur wären keine Massnahmen auf die Dauer noch teurer. Die offene Frage ist, wer alles bezahlen soll.

Marco Denoth: Meiner Meinung nach sollen sicher nicht die Mieter*innen zur Kasse gebeten werden! Wer soll es deiner Meinung nach bezahlen?

Felix Moser: Eine griffige CO2-Abgabe wäre ein erster Schritt. Zu den Mieten: Diese steigen vor allem, weil Wohnungen Anlageobjekte sind für Banken, Versicherungen und so weiter, die so Rendite erwirtschaften. Daher setzen wir uns für gute Bedingungen für Genossenschaften ein: So an der Thurgauerstrasse oder an der Neugasse.

Marco Denoth: Ich nenne insbesondere börsenkotierte internationale Immobiliengesellschaften als Treiber. Nicht mal von den Gewinnen haben wir etwas, weil diese ins ferne Ausland abwandern. Und denen ist die nachhaltige Stadtentwicklung egal. Hauptsache sie sahnen ab! Dagegen versuche ich etwas mit dem bösen Wort «Entwertung» zu unternehmen. Doch es ist ein wahnsinnig schwerer Weg, Aufwertung und Verdrängung verträglich unter einen Hut zu bringen. Jeder Pocket-Park, jeder Grünraum und jede verkehrsarme Strasse ist in diesem Sinne eine Aufwertung. Was beschreiten wir hier für einen gemeinsamen Weg?

Felix Moser: Stadtentwicklung darf nicht den Immo-Konzernen überlassen werden. Daher soll die Stadt kein weiteres Land mehr verkaufen. Für die Bevölkerung sind mehr Grünräume, verkehrsarme Strassen, Stadtbäume und so weiter wichtig, gerade weil immer dichter gebaut wird. Was verstehst Du denn genau unter Entwertung?

Marco Denoth: Es wird anständige Vermieter*innen nicht betreffen. Aber gerade vor kurzem musste ich zusehen, wie Erben mit der Liegenschaft einer anständigen Vermieter*in umgegangen sind. Verkauf an die Meistbietenden, welchen gemäss Schätzung eine dreifache Mieterhöhung angepriesen wird. Dann alte Mieter*innen raus, Luxussanieren, Stockwerkeigentum gründen und abkassieren. Das muss gestoppt werden!

Felix Moser: Da kann ich von ähnlichen Fällen berichten, die ich jeweils als Schlichter am Mietgericht erlebe. Es gibt aber schon Entwicklungen, welche die Wohnqualität in Zürich verschlechtern. So die geplanten «Mediterranen Nächte» in der Innenstadt, die völlig überflüssig sind. In Zürich ist schon genug los.

Marco Denoth: Nun, ich wohne bei der Kreuzung Lang-/Dienerstrasse. Darum bin ich gespannt auf den Versuch. Lassen wir diesen doch mal zu und schauen, ob es was bringt. Doch anhand unseres Schlagabtausches stelle ich jetzt die These in den Raum, dass ihr im Klimaschutz gar nicht so ein konkretes Programm habt, wie wir eins mit dem Marshallplan haben.

Felix Moser: Wir sind uns einig: Mehr Grün, aber weniger Verkehr ist lässig. Und mehr Lebensqualität darf nicht zu mehr Profit von Hausbesitzenden zu Lasten der Mietenden führen. Also sollten wir Aufwertungen belohnen und den Aufwertungsgewinn allen zukommen lassen – ganz im Sinne Eures Parteislogans. Was schlägst du vor?

Marco Denoth:
Für alle statt für wenige! Für den stehe ich ein, auch in Umweltthemen! Schöne Festtage und auf unsere gemeinsamen Ziele im 2020!

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