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Interview

"Ich bin mir selber gross genug"

Von: Clarissa Rohrbach

02. Juni 2015

Peter Maffay singt am Mittwochabend im Hallenstadion alle seine Hits. Hier redet der deutsche Rockstar über seine Eitelkeit, Alkohol und den Papst.

Peter Maffay, während Ihres dreistündigen Konzerts scheuen Sie sich nicht davor, über die Gräueltaten des IS zu sprechen. Starke politische Botschaften gehören zu Ihnen. Was ist das grösste Problem dieser Welt?
Das Gefälle zwischen den wohlhabenden Nationen und denen, die nichts haben. Aus dieser ungerechten Verteilung entstehen die meisten Konflikte.

Haben Sie eine Lösung?
Nein. Tausende haben eine Lösung gesucht und sind gescheitert. Es ist nicht eine rechnerische Angelegenheit, sondern eine philosophische. Gewisse Leute teilen, andere können sich nicht von dem trennen, was sie haben.

Mit Ihrer Stiftung für benachteiligte Kinder engagieren Sie sich für gleiche Chancen. Was war das Schönste, das Ihnen ein Kind je gesagt hat?
«Ich habe dich lieb.» Wenn ein Kind die Zuneigung so spontan und unkalkuliert ausspricht, hat das sehr viel Wert. Dass Ihnen ein Mann sagt, er habe Sie lieb, ist ja auch etwas vom Schönsten, nicht?

Apropos Frauen und Männer. Himmeln die weiblichen Fans Sie immer noch an?

Aufmerksamkeit zu bekommen gehört zu meinem Beruf. Zu gefallen ist die Voraussetzung, auf der das ganze Showbusiness aufgebaut ist. Wie sehr ich die Kriterien eines Frauenschwarms erfülle, weiss ich nicht. Es gibt sicher Männer eines anderen Kalibers, die mehr Frauen anziehen.

Nicht jeder hat so viele Muskeln mit 66 Jahren. Sind Sie eitel?
Wichtig ist, wie ich mit meiner ­Eitelkeit umgehe. Ich achte gerne auf mich und mache regelmässige Workouts. Alleine weil ich die ­Fitness für die drei Stunden auf der Bühne brauche.

Sie waren nicht immer so gesund. Zwei Flaschen Whisky am Tag galten für Sie lange als normal.
Der Alkohol hat mich nicht weitergebracht. Im Gegenteil, ich war unberechenbar, labil, wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Das kann charmant sein, aber auch furchtbar. Ich habe damals meinem Umfeld viel zugemutet. Jetzt bin ich schonender, stabiler, ruhiger.

Ist der Rock-’n’-Roll-Lifestyle auch der Grund, weshalb Ihre drei Ehen gescheitert sind?
Ja natürlich. Bei diesem Lifestyle gilt das Motto «nach mir die Sintflut», es ist einem alles egal. Diese Mentalität ist eigentlich ziemlich egoistisch. Beziehungen leiden darunter.

Die Diagnose Lungenkrebs liessen die Alarmglocken läuten. Was hat sich verändert?
Es war zwar eine Fehldiagnose, aber wie eine Schocktherapie. Ich habe mir gesagt: «Jetzt lass ich das.»
Seitdem lebe ich gesund.

Als Sie den Papst trafen, erlebten Sie da auch eine Erleuchtung?
Sie meinen, ob es plötzlich gedonnert hat? Nein. Der Papst ist auch nur ein Mensch – übrigens mit kalten Händen – das relativiert für mich den Begriff von Heiligkeit. Überhaupt stört mich der Prunk und die Machtentfaltung rund um den Papst. Ich habe ihn aus purer Neugier getroffen.

Fahren Sie immer noch Motorrad?
Ja, gerade gestern war ich mit der Harley unterwegs.

Zieht es Sie manchmal auch in die Schweiz?
Ich besuche gerne Freunde in der Schweiz. Da ich in der Nähe von München wohne, ist es für mich ein Katzensprung. Ihr habt da ein kleines, sehr kosmopolitisches Land. Eure gesellschaftliche Haltung ist in Europa selten anzutreffen. Auch wenn es mir nicht ­entgeht, dass es ziemlich starke ­reaktionäre Strömungen gibt.

Sie sind 1 Meter 68 gross. Hand aufs Herz, hat Sie das nie gestört?
Ich bin sicherlich kein Riese, aber ich bin mir selber gross genug. Meine Frau ist grösser als ich, aber das ist kein Problem. Und wenn wir liegen, relativiert es sich sowieso.

In über 30 Jahren Karriere haben Sie fast 40 Alben herausgebracht. Welches Lied mögen die Fans am liebsten?
Mit meinen Liedern ist es wie in einer Familie mit zehn Kindern. Es ist schwer zu sagen, welches dein Lieblingskind ist.

Ist der Rock heute anders?
In den 70er-Jahren war Rock eine Revolution. Heute nehmen Rocker immer noch gesellschaftliche Probleme auf, aber es gibt neue Kanäle – wie das Internet –, um den Unmut zu äussern. In meiner Interpretation bricht der Rock mit der Konvention. Man stellt Fragen, ist weder gefällig noch gemütlich. Klar, es gibt auch Rocker, die nur in die Charts wollen.

Sie waren doch auch 16-mal auf Platz eins. Das beisst sich ein wenig mit Ihren Idealen.
Ich stecke in einer Maschinerie, wie Sie vermutlich auch. Die Platten­firma investiert in mich, also muss sich die Musik verkaufen. Es ist ein Eiertanz, bei sich selber zu bleiben. Manchmal rutscht man aus, verliert seine Konturen. Aber dann schwimmt man zurück.

Wir verlosen 2x2 Tickets für das Konzert am 3. Juni um 20 Uhr im Hallenstadion. Schreiben Sie uns am Mittwoch bis 12 Uhr auf: gewinn@tagblattzuerich.ch

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