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Interview

Raphael Golta (39) will die Stadt kantonal wieder besser einbringen. Bild: Raffi P.N.Falchi

"Ich kann näher am Alltag politisieren"

Von: Isabella Seemann

14. Januar 2014

Am 9. Februar finden die Stadtratswahlen statt. Das «Tagblatt» stellt in Interviews die Kandidierenden vor. Heute: Raphael Golta, SP.

Herr Golta, Sie lesen gerne Biografien, insbesondere diejenigen amerikanischer Präsidenten. Welche Erkenntnisse gewinnen Sie daraus?

Raphael Golta: Es wäre vermessen, aus dem Leben eines amerikanischen Präsidenten etwas für meine eigene politische Arbeit ableiten zu wollen. In erster Linie bin ich an der Persönlichkeit in ihrem historischen Umfeld interessiert, was sie antrieb und was sie aus der gegebenen Situation machte. Ein Satz von Harry S. Truman hat bei mir dennoch Spuren hinterlassen: «Es ist erstaunlich, was man vollbringen kann, wenn es egal ist, wer die Lorbeeren erntet!» Nicht wer etwas erfunden hat, ist wichtig, allein das gemeinsam erzielte Resultat zählt.

Was wollen Sie persönlich in den Stadtrat einbringen?

Meine langjährigen Erfahrungen als Kantonsrat. Derzeit gibt es viele kantonale Themen, die für die Stadt von enormer Bedeutung sind, von der Spitalfinanzierung und dem Finanzausgleich über das Kasernenareal bis zur Verkehrs- und Steuerpolitik. Mein Netzwerk reicht weit über die Stadtgrenzen hinaus, ich kenne den kantonalen Politbetrieb und seine Menschen. Ich würde mich als Stadtrat deshalb dafür einsetzen, dass sich die Stadt kantonal besser einbringen kann.

Treibt Sie der raue Wind im bürgerlich dominierten Kanton in die Wärme der rot-grünen Stadt?

Der Stadtrat ist sicher kein Kuschelamt, man ist sehr stark exponiert. Nach zehn Jahren in der Legislative lockt mich vor allem das Plus an Gestaltungsmöglichkeiten, das ein Exekutivamt bietet: Als Stadtrat kann ich näher am Alltag der Bevölkerung politisieren.

Die Stadt Zürich lebe finanziell über ihre Verhältnisse, sagen die Bürgerlichen. Wo wollen Sie bei den Finanzen konkret ansetzen?

Ich halte nichts von dieser Schwarzmalerei der Bürgerlichen, das ist reine Angstmacherei. Die Stadt Zürich verfügt trotz der Finanzmarktkrise nach wie vor über Eigenkapital. So brauchen wir keine tiefen Eingriffe zuungunsten der Bevölkerung zu machen. Generell gilt es, Doppelspurigkeiten abzubauen und Synergien zu finden, etwa zwischen dem, was die Stadt selber macht, und dem, was sie an externen Leistungen einkauft. Dies gilt insbesondere im IT-Bereich. Wichtig ist auch eine kluge Aufteilung dessen, was zentral für die gesamte Stadtverwaltung erledigt werden kann und was in den einzelnen Departementen angesiedelt sein muss. Für 2014 konnte noch punktuell gespart werden. Für die darauffolgenden Jahre muss man die Planzahlen durchgehen und sehen, wo Abstriche gemacht werden können.

Sie waren im Kantonsrat für Steuererhöhungen. Wird das auch Ihre Position im Stadtrat sein?

Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass tiefe und mittlere Einkommen gegenüber den höheren Einkommen entlastet werden. Eine Steuerfusserhöhung ist momentan in der Stadt kein Thema. Viel wichtiger ist es, zu verhindern, dass Privilegierte noch mehr Steuergeschenke erhalten. Dann kann man nämlich auch auf einschneidende Sparmassnahmen verzichten.

Was treibt Sie an, sich politisch zu engagieren?

Ich bin seit 20 Jahren in der SP, der ich mich bereits als Teenager angeschlossen habe. In der SP gibt es einen grossen Gerechtigkeitssinn und Gestaltungswillen, die Partei will Verantwortung übernehmen. Das sind Eigenschaften, die sich mit meinen decken und mich nie daran zweifeln liessen, dass ich bei der SP am richtigen Ort bin.

Widersprechen Sie auch mal dem linken Mainstream?

Ich glaube nicht, dass es einen linken Mainstream gibt im Sinne eines eng gefassten Glaubensbekenntnisses. Die SP ist eine sehr breite Partei, sonst hätten wir auch nicht einen solch hohen Wähleranteil. Wenn es um Freiheit versus Verbote geht, stehe ich eher auf der liberaleren Seite, so habe ich ein striktes Rauchverbot abgelehnt und befürwortete die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten.

Sie und Ihre Frau, die SP-Kantonsrätin Catherine Heuberger, haben einen anderthalbjährigen Sohn. Plagt Sie ein schlechtes Gewissen, dass Sie bei der Aufgabenlast eines Stadtrats nicht allzu viel Zeit für die Familie haben würden?

Dieses Thema haben wir natürlich ausführlich besprochen. Wir haben jetzt schon beide ein ordentliches Pensum mit unseren beruflichen und politischen Engagements und organisieren uns mit Grosseltern und Krippenplatz bestens. Ich bin überzeugt, dass die Qualität der Zeit, die ich mit meiner Familie verbringe, also das, was wir gemeinsam tun, entscheidender ist als die Anzahl Stunden. 
 

Nächste Woche: Filippo Leutenegger, FDP.

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