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Interview

Nu(h)r so nebenbei: Comedystar Dieter Nuhr hat sich inzwischen auch als Fotokünstler einen Namen gemacht. Bild: actnews.ch

«Ich lebe in einem Dauer-Shitstorm»

Von: Sacha Beuth

09. September 2014

Dieter Nuhr ist einer der erfolgreichsten Kabarettisten und Comedians Deutschlands. Der 54-Jährige begeistert sein Publikum nicht nur mit Programmen wie «Nuhr weiter so!» oder «Ich bin’s nuhr!», sondern auch als Moderator und Komiker im TV («Quatsch Comedy Club», «Satire Gipfel», etc.). Am Freitag (20 Uhr) präsentiert er im Kongresshaus sein neustes Werk «Nuhr ein Traum».

Tagblatt der Stadt Zürich: Dieter Nuhr, was dürfen die Zuschauer von Ihrem neuen Programm erwarten?

Dieter Nuhr: Es geht generell um unsere Beziehung zur Welt. Der Deutsche ist da ja grundsätzlich negativ eingestellt, und der Schweizer soll in dieser Beziehung nicht gross anders sein. Ich möchte dem Publikum auf humorvollem Weg bewusst machen, dass wir gerade in diesen Tagen die Zivilisation ein wenig feiern sollten, da sie an vielen Orten zusammenzubrechen droht. Es darf und soll viel gelacht werden, jedoch sollte man sein Gehirn vor meiner Show nicht an der Garderobe abgeben.

Welche typisch schweizerischen oder gar zürcherischen Themen ­haben Sie eingebaut?

Das entscheide ich immer spontan und je nach Gusto. Basis bilden meist Nachrichten aus lokalen Zeitungen, die ich vor meinen Auftritten immer lese. Ich muss zugeben, dass ich nicht gerade Fachmann in Schweizer Geschichte bin. Hingegen bin ich immer wieder überrascht, wie viel die Schweizer über Deutschland wissen – diesem Zwergstaat in einem nicht so wichtigen Kontinent.

Während heute viele Comedians mit dem humoristischen Zweihänder agieren, haben Sie den Ruf, eher fein mit dem Ironie-Florett zuzustechen. Gehören Sie – komödiantisch gesehen – zu einer aussterbenden Spezies?

Jein. Einerseits haben wir in der deutschen Comedyszene ein strukturelles Problem. Als ich mit Satire begann, musste man jahrelang auf Bühnen unterwegs sein, um einen unverwechselbaren Stil und einen hohen Bekanntheitsgrad zu erlangen. Heute kommt ein Talent gleich im Fernsehen und muss innert 10 Minuten überzeugen. Sie konzentrieren sich dann meist auf Schenkelklopferhumor, weil ihnen die Chance fehlt, auf der Bühne zu üben. Andererseits zeigt meine Erfahrung, dass auch die Jungen im Publikum Sinn für feine Ironie haben – was in meinem biblischen Alter ein grosser Trost ist.

Bei Ihren Auftritten bekommen sowohl linke wie rechte Parteien und Persönlichkeiten ihr Fett ab. Man hat den Eindruck, keiner wird geschont. Stimmt das?

Exakt beobachtet. Die menschliche Unzulänglichkeit richtet sich nicht nach politischen Lagern. Deswegen lebe ich auch in einem Dauer-Shitstorm, wobei ich den Eindruck habe, dass Konservative grundsätzlich etwas gelassener reagieren als Linke und Alternative – vermutlich, weil sie es eher gewohnt sind, auf den Arm genommen zu werden. Beleidigt sind sie aber alle.

Ihr Zitat «Wenn man keine Ahnung hat: einfach mal Fresse halten» hat längst Kultstatus. Welche Geschichte steckt dahinter?

Der Satz stammt aus dem Programm «Nuhr nach vorn». Das Zitat fand wohl schnell Anklang, wurde jedoch aus dem Zusammenhang gerissen. Vollständig lautet es: «Man darf in einer Demokratie eine Meinung haben, muss aber nicht. Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten.» Es ist ein typisches Beispiel für einen kabarettistischen Satz, der schnell gefällt, weil man immer denkt, der andere ist gemeint. Es ist ein sehr populistischer Satz, und so etwas versuche ich eigentlich zu vermeiden.

Einige Comedians wie etwa Dieter Hallervorden gelten privat als eher ernste Zeitgenossen, andere wie Bully Herbig treiben auch abseits der Kameras ihre Spässchen. Und Sie?

Ich muss nicht die ganze Zeit den Comedian geben und bin gern mal ruhig und ernsthaft. An Partys oder anderen privaten Anlässen erwarten die Leute zum Glück auch nicht, dass ich jeden Moment die Bühne entere. Ich denke, das liegt insbesondere daran, dass ich eben nicht den typischen Schenkelklopferhumor betreibe. Deswegen gehe ich zum Lachen aber nicht in den Keller. Ich habe es auch privat gern lustig.

Bevor Sie Ihre Karriere als Comedian starteten, haben Sie Kunst und Geschichte auf Lehramt studiert. Warum sind Sie nicht Lehrer geworden?

Weil ich schon zuvor auf der Bühne stand und merkte, dass die Leute bereit sind, mir dafür Geld zu geben – was ich zwar nicht verstand, die Kohle aber trotzdem genommen habe. Als Comedian fühlte und fühle ich mich glücklich. Ob das auch als Lehrer so gekommen wäre, halte ich für fraglich. Da hätte ich andere Menschen benoten müssen, und das hasse ich. Ausserdem hätte ich mich bei den Schülern wohl nicht sehr beliebt gemacht, da ich ein sehr strenger Lehrer gewesen wäre – was irgendwie merkwürdig klingt, da ich selbst kein guter Schüler war.

Gibt es Situationen, bei denen Ihnen Ihre pädagogische Ausbildung auf der Bühne nützt? Etwa, wie man vorgehen muss, um gleich die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen?

Das ist eine grobe Überschätzung der pädagogischen Ausbildung. Es ist eher umgekehrt. Pädagogen werden punkto Kommunikationsweise viel zu wenig unterrichtet. Sie sollten während ihrer Ausbildung so etwas wie einen Theaterkurs machen müssen, vor allem Sprechtraining. Viele Lehrer haben kein Gespür dafür, wann es beispielsweise ratsam ist, laut und wann leise zu sprechen.

Was zeichnet generell einen guten Comedian aus?

Ganz einfach: Er muss das Publikum zum Lachen bringen. Wie er das macht, da lasse ich mich gern überraschen. Jedoch darf er dabei meine Geistestätigkeit nicht beleidigen.

Abseits der Bühne gehört Ihre Passion der Fotografie. Ihre Bilder sind immer öfter in Galerien und Museen zu sehen. Bereiten Sie einen Wechsel vom Comedian zum Fotokünstler vor?

Überhaupt nicht. Ich habe schon vor meiner Comedykarriere Fotos gemacht. Ich nehme jedoch beide Tätigkeiten sehr ernst. Und ich freue mich natürlich, dass viele Leute inzwischen wegen der Fotos in eine Ausstellung kommen und nicht, weil sie ein bekannter Comedian gemacht hat.

Zur Person

Dieter Herbert Nuhr kommt am 29. Oktober 1960 in Wesel (NRW) zur Welt. Er studiert in Essen Kunst und Geschichte auf Lehramt, beginnt aber bereits vor dem ersten Staatsexamen als Kabarettist aufzutreten. Der Durchbruch gelingt ihm 1998 mit seinen Programmen «Nuhr am Nörgeln» und «Nuhr weiter so». Für Letzteres wird ihm in der Sparte Kabarett der Deutsche Kleinkunstpreis verliehen.
Weitere Infos und Tickets unter
www.ticketcorner.ch und
www.nuhr.de

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