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Interview

Jacky Donatz gibt den Kochlöffel im Sonnenberg ab und startet im Frühjahr die Zusammenarbeit mit Betreibern eines Lokals in der Innenstadt. Bild: PD

"Ich war immer sehr ehrgeizig und wollte einen Namen haben"

Von: Isabella Seemann

06. Dezember 2016

Ende Dezember hört Jacky Donatz nach 17 Jahren im Restaurant Sonnenberg auf. Trotzdem bleibt er der Zürcher Gastroszene erhalten. Der 65-Jährige spricht über seine Zukunftspläne, was für ihn wahre Kochkunst bedeutet und welche Ingredienzen ihn zum Erfolg führten.

Die Mezzelune, das Siedfleisch und das «Kalbskotelett Jacky» sind so legendär wie der Koch selbst: Jacky Donatz ist in Zürich eine gastronomische Institution. 17 Jahre lang war er Gastgeber im Restaurant Sonnenberg, zudem offizieller Koch des Weltfussballverbandes Fifa – zuvor wirtete er in Jacky’s Stapferstube. Am 27. Dezember wird der Engadiner 65  Jahre alt und übergibt den Kochlöffel an Marcus G. Lindner (1 «Michelin»-Stern, 18 «Gault Millau»-Punkte). Jacky Donatz bleibt Zürich aber erhalten und spannt ab Frühjahr mit Betreibern eines Lokals in der Zürcher Innenstadt zusammen. Eine unvergleichliche Karriere.

Was kommt an Weihnachten bei Ihnen zu Hause auf den Tisch?
Jacky Donatz: Wir machen etwas ganz Einfaches: einen Kalbsbraten. So habe ich Zeit für meine Familie und meine Gäste, das bin ich ihnen schuldig.

Ist das ein Festessen, das einen Spitzenkoch glücklich macht?
Einfache Gerichte machen mich sehr glücklich, und sie sind erholsam, denn ich bin den ganzen Tag von Luxusprodukten umgeben. Ein guter Wein darf aber nicht fehlen, beispielsweise ein Ai Suma aus dem Piemont. «Ai suma» bedeutet «wir haben es geschafft!». Ein passender Tropfen, um das Jahr ausklingen zu lassen.

Können Sie sich noch an Ihr Lieblingsgericht aus Ihrer Kindheit erinnern?
Büchsenravioli. Das esse ich noch heute gern. Und jetzt verrate ich Ihnen etwas: Ich bereite sie sogar einmal wöchentlich im Restaurant zu. Ein Stammkunde darf dies zu Hause nicht essen, also kommt er in den Sonnenberg, wo ich ihm die Büchsenravioli serviere, mit feiner Nussbutter und einem guten Parmesan.

Ein Kritiker nannte Sie mal bester nicht kochender Koch. Wie oft standen Sie denn zuletzt noch in der Küche des Sonnenbergs?
Auch wenn ich Geschäftsführer des Restaurants Sonnenberg, Verantwortlicher für das Catering der Fifa und zuständig für die Schulung der Angestellten bin, so arbeite ich doch täglich mit meinen Leuten in der Küche. Ich bringe den Köchen das Kochen bei und gebe ihnen meine Handschrift weiter. Jenes Gerücht kommt wohl daher, dass ich meine Gäste persönlich willkommen heisse und meine Runden von Tisch zu Tisch mache. Die Präsenz des Kochs im Speisesaal ist auch eine Frage des Vertrauens, denn die Leute kommen ja wegen mir und meiner Küche.

Restaurant, Kochshows, Kochbücher, Caterings – wie haben Sie das alles geschafft?
Es sind 16- bis 17-Stunden-Tage. Die Energie dazu bekomme ich von meinen Gästen. Je grösser das Renommee des Restaurants, desto bessere Köche wollen hier arbeiten. Wir sind ein Superteam. Und diese Leidenschaft für die gute Küche lockt wiederum Gäste an.

Beschäftigen Sie auch Frauen in Ihrer Küche? Lange galten die ja als nicht hart genug.
In Zeiten von Induktionsherden, also Herden, die neben dem Topf keine Hitze abgeben, hat dieses Argument keine Beständigkeit mehr. Die Küchen sind heute ja nicht mehr so heiss wie früher. Überdies halte ich Frauen für leistungsfähiger und belastbarer als Männer. Rund ein Viertel meines Küchenteams bestand immer aus Frauen.

Sie müssen in Ihren 50 Jahren Spitzengastronomie eine Menge Trends und auch Idiotien mitgemacht haben.
Von der Nouvelle Cuisine bis zur Molekularküche, wobei Letzteres für mich nichts mehr mit Kochen zu tun hat, sondern mit Chemie. Das ist aber alles an mir vorbeigegangen. Ich koche konstant traditionelle französische Küche mit mediterranem Einschlag. Letzteren verdanke ich aber nicht einem Trend, sondern meinem 15 Jahre dauernden Aufenthalt im Tessin, der mich natürlich nicht unbeeinflusst liess. Leider muss ich feststellen, dass sich in den vergangenen Jahren die Ausbildung der Köche massiv verschlechtert hat. Die wissen nicht mal mehr, wie man ein Tier ausnimmt, sie kennen die französischen Fachausdrücke nicht mehr, Warenkunde und Jahreszeiten werden nicht wertgeschätzt.

Zutaten, Können, Kreativität. Was ist wichtiger?
Die Basis sind erstklassige Zutaten, die man kennen und zu denen man einen Bezug haben muss. An zweiter Stelle kommt das Handwerk. Aber die Gäste kommen vor allem wegen der Kreativität. Also ist die ebenso wichtig.

Erinnern Sie sich noch an den ersten Tag Ihrer Lehre?
Oh ja, das war am 1. April 1967, und für einen Buben aus dem Engadin war es aufregend, im Flughafenrestaurant zu arbeiten und nach Zürich in die Schule zu gehen. Der Lehrmeister hat mich aus 200 Bewerbern ausgewählt, und ich wollte die in mich gesetzten Hoffnungen nicht enttäuschen. Ich habe sehr hart gearbeitet. Dank der   Spezialitätenwochen, zu denen Spitzenköche aus aller Welt eingeladen wurden, konnte ich schon damals die exotische Kochkunst kennen lernen.

Vor 17 Jahren eröffneten Sie den Sonnenberg, wo Sie Prominenz aus aller Welt bekochten, und mittlerweile sind Sie selbst in den Gesellschaftsspalten anzutreffen. War es für Sie klar, dass Sie mal an diesen Punkt gelangen würden?
Ich war immer sehr ehrgeizig und wollte einen Namen haben. Mein Ziel war es, ein guter Koch zu sein. Dies habe ich aber nur erreicht, weil ich Menschen begegnet bin, die an mich geglaubt, mich unterstützt und gefördert haben. Ihren Erwartungen gerecht zu werden, war wiederum ein Ansporn. Leistung erbringen und Anerkennung erhalten stehen in einer Wechselwirkung. Zudem muss man mit dem Erfolg umgehen können: Er darf einen nicht überhitzen.

Welches Ereignis ist für Sie ein Höhepunkt Ihrer langen beruflichen Karriere?
Das Galadinner zum 100-Jahr-Jubiläum der Fifa 2004 im Zelt vor dem Opernhaus. Und die Kochkurse auf dem Luxus-Kreuzfahrtschiff  MS Europa II. Das ist einfach irrsinnig schön!

Trauen sich noch Leute, privat für Sie zu kochen?
Sicher. Es ist mir eine Ehre, wenn ich eingeladen bin, und ich kritisiere niemanden. Jeder gibt sein Bestes. Und mit einem Fondue oder einer Saucisson auf Lauchgemüse kann man mich glücklich machen.

Welche Pläne haben Sie für Ihre Pensionierung?
Zuerst werde ich mal aufräumen hier. Im Februar mache ich das VIP-Zelt an der Ski-WM in St. Moritz. Und im Frühjahr startet die Zusammenarbeit mit Betreibern eines Lokals in der Innenstadt. Dort werden meine Klassiker, von den Mezzelune über Siedfleisch bis zu Kalbskoteletts, eine neue Adresse finden.

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