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Interview

Bestimmt die Geschicke des Wildnisparks Zürich: Karin Hindenlang Clerc. Bild: PD

«Ich will den Park in eine nachhaltige Zukunft führen»

Von: Sacha Beuth

15. April 2015

Der Wildnispark Zürich, der aus den drei Standorten Naturerlebnispark Sihlwald, Tierpark Langenberg und Besucherzentrum Sihlwald besteht, wird von einer Stiftung finanziert. Deren Hauptträgerin ist die Stadt Zürich. Im Januar letzten Jahres hatte die Biologin Karin Hindenlang Clerc ihren Job als Geschäftsführerin des Wildnisparks angetreten. Dem «Tagblatt» erzählt die bald 50-Jährige, welche Ziele sie bereits umsetzen konnte, was sie noch angehen will und was die Besucher beim ­«Saisonstart» 2015 erwartet.

Karin Hindenlang, der Frühling ist da, und viele Zoos melden Jungtiere oder haben neuen Anlagen eröffnet. Mit welchen Neuerungen wartet der Wildnispark Zürich auf?

Karin Hindenlang Clerc: Im Wildnispark Zürich Langenberg kann man auch bei uns bereits zahlreichen Nachwuchs bestaunen, etwa bei den Sikahirschen und bei den Ratten im Müsli-Hüsli. Besonders viele Junge gab es bei den Wildschweinen mit 24 Frischlingen. Zudem erwachen demnächst die Siebenschläfer aus ihrem Winterschlaf, was ebenfalls interessant zu beobachten ist. Im Museum des Besucherzentrums ist die Sonderausstellung «Wohl oder übel – für alles ist ein Kraut gewachsen» neu eröffnet, welche die Bedeutung von Pflanzen als Heilmittel vom Schamanentum bis zur modernen Medizin zeigt. Ausserdem finden Wildnistage statt und die «Rösslirytschuel», das beliebte Holzkarussell, ist auch schon aufgebaut.

Sie sind nun rund ein Jahr als Geschäftsführerin des Wildnisparks Zürich im Amt. Wie lautet Ihre Bilanz?

Ich kann sagen, dass ich inzwischen angekommen bin. Mein Job beinhaltet ja den Aufgabenbereich einer Naturpark-, Zoo- und Museumsdirektorin, die im Nebenamt auch noch als Immobilienverwalterin tätig ist. Doch gerade wegen dieser Vielfalt und der damit verbundenen Herausforderungen ist es eine spannende Tätigkeit, bei der mich ein tolles Team mit hoher Kompetenz unterstützt.

Worin unterscheidet sich Ihr Leitbild/Ihre Schwerpunkte von dem/denen Ihres Vorgängers Christian Stauffer?

Man soll ein gut funktionierendes Rad nicht neu erfinden. Es gab und gibt natürlich punktuelle Veränderungen, aber die Philosophie bleibt grundsätzlich die gleiche: den Sihlwald als Naturerlebnisort präsentieren, eine artgerechte Tierhaltung bieten und den Wildnispark als Ganzes in eine nachhaltige und prosperierende Zukunft führen.

Welche Projekte haben Sie bislang umsetzen können?

2014 konnte der neue Walderlebnispfad beim Besucherzentrum realisiert sowie das Restaurant Sihlwald eröffnet werden. Es steht wie das Restaurant im Langenberg unter der Leitung eines neuen Betreiberpaares. Zuvor hatten wir im Besucherzentrum in Eigen­regie Kaffee und Snacks verkauft, was Kapazitäten gebunden hat. Heute haben meine Mitarbeitenden mehr Zeit, sich den Fragen der Besucher zu widmen. Es ist also eine Win-win-Situation. Andererseits gab es die Eröffnung des Müsli-Hüsli im Langenberg zu feiern, das wir mehrheitlich über Spenden finanzieren konnten.

Und wie wurde das Müsli-Hüsli von den Besuchern angenommen?

Sehr gut, auch weil sie eine unserer wenigen Indooranlagen ist. Vor allem die Kinder sind begeistert, während man bei den Erwachsenen schon mal die eine oder andere Person entdeckt, die sich etwas ekelt.

Welche Projekte stehen noch an bzw. müssen unbedingt noch angegangen werden?

Grundsätzlich müssen wir die Finanzierung der Stiftung breiter abstützen. Dann gilt es die Schutzverordnung im Sihlwald konsequent umzusetzen und im Langenberg stehen die Jubiläumsvorbereitungen für 2019 an – der Tierpark wird dann 150 Jahre alt und ist damit der älteste der Schweiz. Zudem denken wir über die Erneuerung des Steinbockgehege, der alten Wildschweinanlage und des Spielplatzes nach.

Was ist in Sachen verbesserte Anbindung an den ÖV geplant?

Das ist ein grosses Thema. Die Bus­linie 137 konnte bereits von Horgen bis zur alten Bahnstation Sihlbrugg weitergezogen werden, was vor allem für die Wanderer im Sihlwald von Vorteil ist. Beim Langenberg ist es nach wie vor so, dass ein Grossteil der Besucher mit dem Auto anreist. Das wollen wir ändern und sind mit den involvierten ÖV-Anbietern im Gespräch. Toll wäre die Verlängerung der Buslinie von Adliswil bis zum Haupteingang des Tierparks.

Viele Besucher beklagen sich, dass sie die Tiere kaum zu Gesicht bekommen. Müssten die Anlagen nicht besucherfreundlicher gestaltet werden?

Wir wollen unsere Tiere so naturnah wie möglich zeigen. Das bedeutet auch, dass ihnen Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten zur Verfügung stehen sollen und sie ihr Futter nicht auf dem Präsentierteller erhalten, sondern im ganzen Gehege suchen müssen. Dies wiederum erfordert vom Besucher Zeit und Geduld, um die Tiere zu entdecken. Am Schluss ist es aber für beide ein Gewinn. Das Tier verhält sich natürlicher, und der Besucher sieht es so, wie er es auch in freier Wildbahn erleben würde. Trotzdem bemühen wir uns, wo immer sinnvoll, die Einblicke zu verbessern. So ist etwa beim Wolfsgehege sicher noch Luft nach oben.

Warum zeigt der Wildpark Langenberg nicht noch mehr verschiedene Arten, zum Beispiel winterharte Exoten wie Waschbär, Puma und Co.?

Grundsätzlich ist es unser Konzept, nur heimische oder einstmals heimische Arten zu zeigen. Eine der Aus­nahmen ist das Przewalski-Wildpferd, das aber als Vorbild für Erhaltungszucht und Wiederansiedlung in freier Wildbahn ein wertvolles Beispiel ist. Ich will jetzt neue Arten nicht kategorisch ausschliessen. Bevor wir ein neue Art anschaffen, haben die, die wir bereits haben, optimale Bedingungen verdient.

Der Tierpark geriet in der Vergangenheit in die Kritik, weil man dort überzählige Hirsche und Wildschweine schlachten liess und deren Fleisch verkaufte bzw. im Restaurant anbot. Behalten Sie diese Praxis bei?

Ja. Zu einer tiergerechten Haltung gehört die Jungtieraufzucht. Aus Kapazitätsgründen können wir aber nicht allen Nachwuchs behalten oder an andere Zoos abgeben. Diese Tiere, namentlich junge Wildschweine und Hirsche, werden getötet und ihr Fleisch im Sinne der Nachhaltigkeit genutzt. Ansonsten bliebe nur die Möglichkeit, Tiere dauerhaft getrenntgeschlechtlich zu halten, womit wir sie aber wichtiger Verhaltensweisen berauben würden. Vergessen wir zudem nicht, dass auch in der Natur nur ein kleiner Teil des Nachwuchses überlebt.

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