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Interview

Hat seinen Club noch immer fest im Griff: Volero-Präsident Stav Jacobi. Bild: SB

«Im Jenseits gibt es kein Volleyball»

Von: Sacha Beuth

04. April 2017

Vor wenigen Wochen schwebte Volero-Präsident Stav Jacobi (50) wegen einer Infektion noch in Lebensgefahr. Nun hat er beim Zürcher Volleyball-Spitzenclub das Zepter wieder in die Hand genommen, will aber etwas kürzertreten.

Das Damen-Team von Volero war eben in Moskau zum Champions-League-Spiel gegen Dynamo gelandet, als sich bei Stav Jacobi plötzlich hohes Fieber bemerkbar machte. Ein derartiger Infekt bedeutet für den gebürtigen Russen Lebensgefahr, da er am Behcet-Syndrom, einer seltenen Autoimmunerkrankung, leidet. Jacobi reiste sofort zurück nach Zürich, wo die Ärzte des Unispitals um sein Leben kämpfen mussten. Zum Glück erfolgreich, sodass der 50-Jährige nach mehrwöchiger Rekonvaleszenz seine Arbeit wieder aufnehmen konnte.

Wie ist Ihr gegenwärtiger gesundheitlicher Zustand?

Stav Jacobi: Ich befinde mich immer noch in der Aufbauphase. Ob die Behandlung anschlägt, lässt sich erst in etwa sechs Monaten genauer sagen. Meistens fühle ich mich ganz okay, nur wenn ich unter Belastung stehe, geht es wieder schlechter. Ich muss aufpassen, dass ich meinen Kalender nicht überlade.

Trotzdem waren Sie live dabei, als Volero im Champions-League-Viertelfinal gegen Vakifbank Istanbul verlor. Was war der Grund für die Niederlage?

Hauptursache waren mehrere aufeinanderfolgende individuelle Blockfehler. Ein Fehler kann passieren, aber dann darf darauf nicht gleich Fehler Nummer zwei und dann Nummer drei folgen. Das ist gegen das mental stärkste Team der Champions League nicht aufzuholen. Hinzu kam, dass Stammpasseuse Fabiola – das «Gehirn» des Teams – zwei Tage vor dem Spiel verletzt ausfiel. Wir können andere Ausfälle adäquat kompensieren, nur nicht auf dieser Position.

Ihr Team hat nun nur noch eine minimale Chance, das Finalturnier zu erreichen und die Champions League zu gewinnen. Sieben Anläufe, siebenmal gescheitert. Wird es einen achten geben?

Mathematisch ist der Finaleinzug immer noch möglich. So lange glaube ich an unsere Chance. Sollte es definitiv nicht klappen, werde ich mir einige Gedanken machen müssen. Schliesslich habe ich in der Vergangenheit viel Energie und viel Geld in den Club gesteckt. Da gilt es, eine vernünftige Balance zu finden. Klar ist aber, dass unser Kader auch künftig Champions-League-Niveau haben muss und wird. Nur vielleicht nicht das Niveau, um die Champions League auch gewinnen zu können.

Das Fanionteam besteht praktisch nur aus Ausländerinnen. Warum bauen Sie nicht mehr Schweizer Talente ein? Auch und gerade in der Champions League?

Weil gegenwärtig bis vielleicht auf Laura Unternährer keine das nötige Niveau erreicht, das es dafür braucht. Das hat nicht nur mit fehlendem Talent oder fehlenden physischen Voraussetzungen zu tun, sondern ist vorab eine Kopfsache. Die wenigsten Schweizerinnen sind bereit, alles dem Profisport unterzuordnen. Und das muss man tun, wenn man bei Volero im ersten Team spielen will.

In der NLA ist Volero derart überlegen, dass Meistertitel und Cupsieg quasi schon vor einer Saison einkalkuliert werden können. Was halten Sie von der Idee des russischen Verbandes, in deren Liga mitzutun?

Hier muss ich vorausschicken, dass ich diesbezüglich noch kein konkretes Angebot erhalten habe. Ich bin in diesem Punkt gespalten. Einerseits könnten wir wegen des insgesamt höheren Niveaus der russischen Liga das wettmachen, was uns bislang zum Gewinn des Champions- League-Titels fehlte. Andererseits befinden sich nur drei der dortigen Clubs mit uns auf Augenhöhe. Die anderen sechs, sieben könnten weder spielerisch mithalten noch die Reisekosten für ihre Auswärtsspiele in Zürich tragen.

Im Verein haben Sie eine enorme Macht, aber auch Verantwortung. Was passiert mit Volero, wenn Stav Jacobi nicht mehr weitermachen kann oder will?

Der Verein wird dann weiterexistieren, nur vielleicht nicht mehr mit einem Weltklasseteam, sondern wieder als Club mit Amateuren. Leider gibt es in der Schweiz nur ganz wenige Personen, die bereit sind, einen Spitzenvolleyball-Club zu tragen. Von den Fähigkeiten ganz zu schweigen. Wem also soll ich den Stab übergeben? Aber klar ist, dass ich die Last künftig gerade wegen meiner Gesundheit besser verteilen muss. Volleyball ist meine Leidenschaft. Dieser möchte ich weiterhin als lebende Person frönen. Denn im Jenseits gibt es kein Volleyball. Zumindest glaube ich das nicht.

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