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Interview

Sandra Walser und die Kolonie der Königspinguine. Bilder: Sandra Walser

In eisiger Wildnis

Von: Isabella Seemann

13. Mai 2019

Vom Polarvirus infiziert: Die Zürcherin Sandra Walser (42) ist Historikerin und als Reiseleiterin, Referentin und Fotografin mehrere Monate pro Jahr in der Arktis sowie in der Antarktis unterwegs. Nun hat sie ein Buch über eine der ersten touristischen Polarfahrten der Geschichte geschrieben.

Zu den Naturerlebnissen der Arktis und Antarktis gehören nicht nur Eis und Polarlichter, sondern auch wild lebende Tiere. Welche Begegnung hat Sie beeindruckt?

Sandra Walser: Die Polargebiete vermögen mich immer aufs Neue zu überraschen, obwohl ich mittlerweile rund 600 Tage dort verbracht habe. Unvergesslich ist meine erste und einzige Begegnung mit Kaiserpinguinen. Das war im Weddellmeer. Unser Schiff parkte im Packeis, und ich genoss die Abendstimmung an Deck, als ich ein Geräusch hörte, das ich bisher nur aus Tierdokumentationen kannte. Es handelte sich um die Laute einer Gruppe von Kaiserpinguinen, die immer näher kam und schliesslich direkt vor dem Bug Halt machte. Mir traten Tränen in die Augen.

Wie ist es, wenn Sie mit Exkursionen auf Eisbären treffen? Haben die Touristen keine Angst?

Nein, denn wenn wir das Glück haben, Eisbären beobachten zu können, sind wir in aller Regel auf dem Schiff oder einem Zodiac-Schlauchboot. Begegnungen an Land können gefährlich sein. Wir Guides haben daher die Aufgabe, vor jedem Landgang das Gebiet abzuchecken. Nur wenn kein Eisbär da ist, wird die Exkursion durchgeführt – wobei wir die Augen stets offen halten und auch eine Waffe tragen. Für den Fall, dass plötzlich doch ein Eisbär auftaucht, sind wir speziell geschult. In erster Linie gilt es, Ruhe zu bewahren, die wenigsten Tiere greifen an. Dann gibt es ein klar reglementiertes Vorgehen, das darauf abzielt, den Bären zu verscheuchen. Nur im äussersten Notfall greifen wir zum letzten aller Mittel und schiessen, um zu töten. Im Kontext des schiffbasierten Tourismus ist dies meines Wissens in den letzten 40 Jahren zweimal vorgekommen.

Bei «Antarktis» denken viele an endlose Eis- und Schneemassen. Wie findet man dort die Tiere?

An Land heben sich Pinguine und Robben farblich deutlich von der Umgebung ab. Sind sie im Wasser, verraten sie sich ähnlich wie die Wale, bei denen jedoch noch der Blas dazukommt, durch ihre Bewegungsmuster. Schwieriger gestaltet es sich in der Arktis, wo die Landtiere gut getarnt sind, weil sie natürliche Feinde haben. Die Suche nach Eisbären im Packeis ist eine Herausforderung. Mit den Jahren bekommt man Übung. Es ist durchaus möglich, Eisbären aus mehreren Kilometern Entfernung zu sichten!

Wann ist für Sie als Polarfotografin ein Tierbild besonders gelungen?

Die reine Technik ist für mich sekundär. Mit dem richtigen Blick lassen sich auch mit einem Handy tolle Aufnahmen machen. Sie sollten eine Geschichte erzählen, Emotionen auslösen und einen Moment festhalten, der nicht schon x Tausend Mal aus derselben Perspektive eingefangen worden ist.

Haben Sie ein Polartier besonders ins Herz geschlossen?

Natürlich mag ich die beiden Symbole der Polargebiete – den Eisbären und den Pinguin – sehr. Dicht gefolgt wird dieses Duo aber von der Weddellrobbe und der Arktischen Küstenseeschwalbe.

Ihr Buch «Auf Nordlandfahrt» beleuchtet die Anfänge des Polartourismus. Aus welchen Gründen ist man vor über 120 Jahren nach Spitzbergen gereist?

Im Gegensatz zu heute standen Tierbeobachtungen damals nicht im Vordergrund. Fernweh und Abenteuerlust spielten eine grosse Rolle – und definitiv auch Pioniergeist, denn das Ziel der Reise, die ich beleuchte, lag buchstäblich am Rand der bekannten Welt: Noch nie kam jemand weiter nördlich als 82° 45‘ N, der Nordpol war unerobert.

Im Juni reisen Sie wieder in den hohen Norden. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Darauf, mit den Gästen die Magie der Arktis zu entdecken.

Weitere Informationen: Sandra Walser: «Auf Nordlandfahrt – 1896 von Hamburg nach Spitzbergen», Verlag NZZ Libro, Oktober 2018, 39 Franken. www.sandrawalser.ch

 

 

 

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