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Interview

Hofft auf einen Clinton-Sieg: Rose Haechler Galle vom AWC Zürich. Bild: SB

«Man muss sich seinen Kandidaten zurechtlegen»

Von: Sacha Beuth

17. Oktober 2016

Am 8. November wählen die Amerikaner ihren 58. Präsidenten. Auch die Expats des American Women’s Club of Zurich haben sich zwischen Donald Trump und Hillary Clinton zu entscheiden. Rose Haechler Galle (63), Mediendelegierte beim AWCZ, hofft auf einen Sieg von Clinton.

Rose Haechler Galle, mit welchen Gefühlen blicken Sie als amerikanisch-schweizerische Doppelbürgerin den Präsidentschaftswahlen entgegen?

Mit einer gewissen Besorgnis. Dies ist wohl die polarisierendste Wahl, die ich bislang erlebe, seit ich 1985 auch amerikanische Staatsbürgerin wurde, nicht zuletzt wegen der Ungewissheit, die ich wohl mit vielen Amerikanern teile: Was passiert, wenn Trump Präsident wird?

Und was, glauben Sie, passiert, wenn er tatsächlich gewinnt?

Sicher ist, dass er dann Fachleute brauchen wird, die in der Politik sehr viel Erfahrung haben. Die Frage ist, ob Trump mit solchen Beratern im Team arbeiten wird. Weiter bin ich überzeugt, dass er als Präsident viele durch Obama eingeführte Änderungen wie Obamacare wieder rückgängig machen würde. Bei anderen Dingen, wie etwa der Mauer zwischen Mexiko und den USA, bin ich mir nicht sicher. Es ist schwierig, Trumps Handlungen zu erraten.

Wohin würde handkehrum eine Clinton-Regierung führen?

Sie würde unter anderem sicher versuchen, die sozialen Errungenschaften der Obama-Regierung zu erhalten und auszubauen.

Wie erklären Sie sich, dass eine kontroverse und schillernde Persönlichkeit wie Donald Trump überhaupt Präsidentschaftskandidat werden konnte?

Einer der Gründe könnte sein, dass er denjenigen Bürgern, die genug vom politischen Establishment Washingtons haben, einen Systemwechsel verspricht. Er agiert sehr clever, versteht es, mit kontroversen Aussagen die Medien zu dominieren. Er spricht in kurzen, klaren Sätzen und wiederholt seine Aussagen. Obwohl sie dadurch nicht wahrer werden, bleiben sie beim Wähler besser haften als langatmige Analysen. Auch dank dieser Taktik hat er seine republikanischen Mitbewerber überrascht, die es in der Folge versäumten, sich untereinander einig zu werden, weil jeder seiner eigenen Agenda treu blieb. Ich glaube, dass sie auch deshalb gegen ihn verloren.

Wie ist es beim AWCZ? Wer hat dort die meisten Anhänger?

Obwohl die Wahlen bei uns generell ein Thema sind, so sind die meisten Mitglieder doch sehr zurückhaltend mit Aussagen, wem sie ihre Stimme geben – ausser sie sind für eine der beiden Parteien aktiv. Ich weiss nur von wenigen sicher, wo sie politisch stehen. Das ist aber auch in Ordnung so. Das Hauptziel des AWCZ ist ja soziales Engagement und dass sich unsere Mitglieder gut in der Schweiz integrieren. Dabei helfen wir uns gegenseitig und da sollen nicht unterschiedliche politische Ansichten einen Keil in die Beziehung treiben.

Wie begründen diejenigen, deren politische Ansichten Sie kennen, ihre Wahl?

Anhänger der Republikaner wünschen sich sicher, dass wieder einer der Ihren im Weissen Haus sitzt. Bestimmt glauben und hoffen sie, dass Trump seine Erfahrung als Geschäftsmann auch auf die Regierung übertragen kann. Die Demokraten sehen in Hillary Clinton eine unglaublich erfahrene Politikerin, die äusserst intelligent und pragmatisch ist. Generell glaube ich, dass sich sowohl Demokraten wie Republikaner ihren Kandidaten zurechtlegen müssen. Denn zu 100 Prozent einverstanden mit deren Gesamtpaket sind nicht viele, das gilt auch für mich als Clinton-Wählerin.

Nachdem sich immer mehr Amerikaner wegen der zuletzt publizierten Vorfälle von Trump abwenden, deutet alles auf einen klaren Sieg Clintons hin. Teilen Sie diesen Eindruck?

Ich habe keine Kristallkugel, mit der ich in die Zukunft sehen kann. Clinton liegt im Moment in den Umfragen deutlich vorn. Nur: Es gibt bekanntlich auch Leute, die in Umfragen das eine sagen, schlussendlich aber doch den anderen Kandidaten wählen. Das wird kein Selbstläufer. Clinton muss unbedingt ihre Wähler mobilisieren, damit diese auch abstimmen.

Wo und wie werden Sie am 8. November die Wahlen verfolgen?

Im Park Hyatt. Dort gibt es traditionell ein durch uns und andere a Organisationen gesponsortes Frühstück für alle amerikanischen Expats. Interessierte aus beiden Lagern haben dort die Gelegenheit hat, die Wahlen live aus dem US-Fernsehen verfolgen zu können. Das endet immer sehr emotional, mit jubelnden Siegern und enttäuschten Verlierern – und immer friedlich.

Der AWC of Zurich

Der American Women’s Club of Zurich wurde 1931 gegründet und ist der älteste Verein für amerikanische Expats in Zürich. Dem unparteiischen Verein gehören rund 300 Mitglieder an.
www.awczurich.org

US-Präsidentschaftswahl: So funktionierts

Die Präsidentschaftswahlen in den USA sind indirekte Wahlen. Das Volk schreitet zwar am 8. November 2016 zur Urne, allerdings werden zu diesem Zeitpunkt erst die 538 Wahlmänner des Electoral College (Wahlmännerkollegium) bestimmt. Dabei darf jeder Staat eine bestimmte Anzahl Wahlmänner stellen, wobei in fast allen Staaten gilt: «The winner takes it all.» Das heisst, es werden die Wahlmänner eines Staates von derjenigen Partei gestellt, deren Präsidentschaftskandidat die relative Mehrheit der Stimmen erhält. Die Wahlmänner wählen dann mittels absolutem Mehr am 19. Dezember den Präsidenten (wobei in der Regel der Kandidat der eigenen Partei die jeweilige Stimme erhält). 

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