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Interview

Kann weisser Trüffel nicht widerstehen: Spitzenkoch Antonio Colaianni.

"Man soll es ab und zu übertreiben"

Von: Ginger Hebel

21. November 2014

Glühwein, Fondue, Weihnachtsguetsli. In der Adventszeit locken an jeder Ecke kalorienreiche Versuchungen. Antonio Colaianni ist Chefkoch im Gourmet-restaurant Mesa im Kreis 6. Mit dem «Tagblatt» spricht er über Genuss, Kalorienfallen und figurfreundliche Desserts.

Tagblatt der Stadt Zürich: Antonio Colaianni, in der Adventszeit locken überall kleine Sünden. Welcher Versuchung können Sie nicht widerstehen?

Antonio Colaianni: Aktuell ist meine grösste Sünde die weisse Trüffel. Gerade haben wir im Mesa einen Trüffel­abend veranstaltet. Ich finde den Geruch betörend, er weckt in mir Emotionen. Allerdings kenne ich viele, die mit Trüffel gar nichts anfangen können, wie meine beiden Schwestern. Einige haben schlechte Erfahrungen gemacht, besonders mit Trüffelöl, das einem gerne aufstösst und schwer im Magen liegt. Trüffelöl besteht jedoch aus einer chemisch hergestellten Essenz und hat mit echter Trüffel nichts zu tun.

Was sind die grössten Kalorienfallen im Advent?

Fondue. Wobei beim Fleischfondue das Fleisch nicht das Problem ist, denn es ist mager, und beim Chinoise ist die Bouillon leicht und gesund. Ins Gewicht fallen die verschiedenen Saucen, die sehr oft auf Mayonnaise basieren. Aber hier kann man variieren, indem man ein Löffelchen Mayonnaise mit Joghurt oder Quark mischt. Oder man bereitet eine Pfeffersauce zu. Scharfe Gewürze sind gut für die Verdauung.

Und wie stehts mit dem Verdauungsschnaps?

Ich persönlich habe Mühe damit, denn von Schnaps bekomme ich Schluckauf. Als Dessert empfehle ich frische Früchte mit einer gewissen Säure, wie Ananas, Zitrusfrüchte oder Passionsfrucht, auch als Sorbet. Auch ist es gut, wenn man jedes Essen mit einem knackigen Salat beginnt, so läuft der Körper warm, und man kann besser verdauen, als wenn man gleich mit Kartoffelstock und Pilzsauce startet.

Achten Sie bei der Zusammenstellung Ihrer Menüs auf die Kalorien?

Ich achte schon darauf, dass die Balance stimmt und man die einzelnen Gänge – vom Snack bis zum Dessert – gut essen mag. Grundsätzlich sind die Gerichte im Winter aber schwerer und kalorienreicher als im Sommer, weil man Zutaten wählt, die den Körper wärmen, da man in der kalten Jahreszeit mehr Energie benötigt.

Der «Gault Millau» hat Sie mit 17  Punkten ausgezeichnet. Ihre Kreationen sind raffiniert, man denke an Stör mit Topinambur, Joghurt und Kaviar.

Und Blutwurst. Ich wollte bei diesem Gericht den Kontrast zwischen Arm und Reich symbolisieren. Blutwurst ist etwas Bäuerliches, Kaviar etwas Exklusives. Diese zwei Zutaten, in Verbindung mit Stör und Topinambur, ergeben eine tolle Mariage.

Im Dezember veranstalten viele Firmen ihr Weihnachtsessen, und während der Festtage jagt ein Familien­essen das nächste. Achten Ihre Gäste in dieser Zeit auf die Kalorienbilanz?

Ein Restaurant wie das Mesa besuchen die Gäste nicht jeden Tag. Wer zu uns kommt, möchte geniessen. Ich spüre aber die Tendenz, dass viele Leute nicht mehr die grossen Menüs bestellen, sondern eher einen Dreigänger. Das mag tatsächlich damit zusammenhängen, dass viele Geschäfts- und ­Familienessen bevorstehen.

Viele bestellen lieber eine Käseauswahl zum Dessert als etwas Süsses. Dabei ist Käse kalorienreich.

Ja, ein cremiger Weichkäse hat bis zu 45 Prozent Fett, das hängt ganz schön an. Aber Käse ist ein Genussmittel wie Schokolade, darauf möchte man nicht verzichten müssen. Wenn im Restaurant unser Käsewagen mit 20 Sorten anrollt, ist die Versuchung gross, die ­gereiften Käse zu probieren.

Sie sind berühmt für Ihre ausgefallenen vegetarischen Siebengänger. Gemüse ist generell gesund, welches ist Ihr Favorit im Winter?

Artischocken, Catalogna, ein Chicoréegemüse und Cima di Rapa, Stängelkohl. Diese Gemüsesorten enthalten Bitterstoffe, die gesund sind für den Organismus, da sie die Leber reinigen und den Körper entgiften. Ich bereite aber auch sehr gern salzige Tarte Tatin mit Zwiebel, Topinambur oder Randen zu.

Den Gänsebraten sollte man ohne Haut zubereiten, da diese besonders fettig ist.

Aber nein, die Haut ist doch das Beste! Ich esse beim Poulet immer zuerst die knusprige Haut, die Brust können die anderen haben (lacht). Ich liebe meinen Beruf und bin ein absoluter Genussmensch. Auch Zigarren und Wein gehören für mich dazu.

Bowlen, Glühwein, Dessertwein – das sind alles Kalorienbomben.

Wein allgemein. Ich kenne Leute, die ­essen extra leichte Kost, trinken dafür aber eine Flasche Wein, da geht die Rechnung nicht auf. Entscheidend ist das Mass. Man soll es ab und zu übertreiben, aber es sollte nicht die Regel sein.

Sie sagen, dass Ihre Küche von Herzen kommt und Freude machen soll. Ohne welche Zutaten würden Sie nie anfangen zu kochen?

Ich habe ein breites Repertoire, brauche Olivenöl zum Kochen genauso wie Butter, denn manche Zutaten schreien förmlich danach. Zudem ist Butter eine Geschmacksträgerin, auch Trüffel entfalten durch Butter erst ihr ganzes Aroma. Wichtig sind auch reife Tomaten, denn damit gelingt die Basis für viele gute Gerichte.

Was kommt Ihnen nie in die Küche?

Bananen. Sie sind das Einzige, was ich nicht riechen und nicht essen kann. Das muss mit meiner Kindheit zu tun haben; ich erinnere mich jedenfalls, wie ich sie damals die Toilette runterspülte.

Wie gibt man seinem Gericht eine typisch weihnachtliche Note?

Mit Lebkuchengewürz. Man kann damit Geflügel würzen oder ein Entenbrüstchen mit Honig und Lebkuchenpulver glasieren. Auch Sternanis und Zimt riechen festlich. Man gibt Butter und Orangenschalen zum Trockenreis und kocht einen Zimtstängel mit. Das schmeckt sehr weihnachtlich, wobei mir ein Risotto mit Mascarpone und Taleggio lieber ist.

Was kommt bei Ihnen an Weihnachten auf den Tisch?

Es gibt bei uns kein typisches Gericht, sondern immer einen Mehrgänger. Wenn meine Mutter aus Apulien kommt, möchte ich ihre hausgemachte Pasta nicht missen. Wir fangen irgendwann zu essen an und hören irgendwann auf. Wie in vielen italienischen Familien dreht sich auch bei uns alles ums Essen.

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