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Interview

Schätzte bei seiner Aufgabe als EU-Korrespondent für SRF die Zusammenarbeit zwischen den Journalisten: Sebastian Ramspeck. Bild: SRF

«Man spürt die Distanz zwischen EU-Parlament und Bürgern»

Von: Sacha Beuth

04. Mai 2020

EU-Korrespondent Sebastian Ramspeck berichtete für SRF von 2014 bis Anfang dieses Jahres von den Geschehnissen aus Brüssel. Nun ist der 45-Jährige in seine Geburtsstadt Zürich zurückgekehrt, um für das Schweizer Fernsehen das Auslandsmagazin «#SRFglobal» zu moderieren. Seine Zeit in der EU-Metropole bezeichnet er als spannend, wenn dort auch oft der Blick auf das grosse Ganze zu kurz kam.

Sein Gesicht ist vielen Zuschauern der «Tagesschau» und von «10 vor 10» bestens bekannt. Wenn immer es etwas Interessantes aus dem EU-Hauptsitz in Brüssel zu berichten gab, wurde ab 2014 Sebastian Ramspeck als Korrespondent zugeschaltet. Jetzt hat der 45-jährige Neffe des verstorbenen Journalisten Jürg Ramspeck bei SRF eine neue Aufgabe übernommen und ist in seine Geburtsstadt Zürich zurückgekehrt. Im «Tagblatt» blickt er nochmals auf seine Zeit als EU-Berichterstatter zurück und spricht auch über die verschiedenen Politsysteme der EU und der Schweiz. Dabei zeigt Ramspeck viel Verständnis für die jeweiligen Gegebenheiten und Interessen.

Nach rund fünfeinhalb Jahren in Brüssel kehren Sie nach Zürich zurück. Für einen Auslandskorrespondenten ist das nicht gerade übermässig lang. Sind Sie Europa- oder zumindest EU-müde?

Sebastian Ramspeck: Fünfeinhalb Jahre sind doch eine schöne Zeit, zumal sie auch sehr intensiv war. Aber wenn man in Brüssel arbeitet, bekommt man bald einmal das Gefühl, es dreht sich alles nur um die EU. Der journalistische Blick auf andere Weltregionen, die ebenfalls von Bedeutung sind, der Blick auf das grosse Ganze, der droht verloren zu gehen. Darum bin ich nicht traurig, dass ich diesen spannenden Job nun nicht mehr mache, und freue mich auf meine neue Aufgabe.

Die EU-Zentrale in Belgien steht für viele in der Schweiz als Synonym für überbordende Bürokratie. Ist es wirklich so schlimm?

Es gibt ja keine Masseinheit für Bürokratie. Insofern ist ein mengenmässiger Vergleich zwischen der Bürokratie in der EU und derjenigen in der Schweiz nicht möglich (lacht). Aber im Ernst: Die EU ist nun mal ein sehr grosses Gebilde mit 450 Millionen Einwohnern, 24 Amtssprachen, vielen Kompetenzen und vielen Gesetzen. Dies bringt natürlich auch ein entsprechendes Mass an Bürokratie mit sich.

Was sind aus Ihrer Sicht die markantesten Unterschiede in der Politarbeit zwischen den Schweizer Parlamenten und dem EU-Parlament?

Schon geographisch sind die EU-Abgeordneten in Strassburg und Brüssel sehr weit weg vom Alltag der Bürgerinnen und Bürger. Diese Distanz spürt man. Ausserdem hat das EU-Parlament innerhalb der EU weniger zu sagen als der National- und der Ständerat im Schweizer Politsystem. In der EU machen die Mitgliedsstaaten viele Fragen unter sich aus, zum Beispiel in der Aussenpolitik.

Wo hat die Schweiz im Vergleich zur EU Nachholbedarf und wo könnte die EU von der Schweiz lernen?

Es wäre vermessen, wenn ich hier ein System über das andere stellen würde. Jeder Staat oder Staatenverbund muss seinen eigenen Weg finden. Was ich aber sagen kann: Einige Leute in der Schweiz haben ein falsches Bild von der EU als «zentralistische Einheit». Die EU ist insgesamt föderalistischer als viele meinen, hat beispielsweise weder eine gemeinsame Polizei noch ein gemeinsames Militär noch einheitliche Sozialversicherungen oder ein einheitliches Gesundheitssystem – was je nach Umständen und Sichtweise ein Vor- oder Nachteil sein kann. Auffällig ist, dass sowohl in den EU-Ländern wie in der Schweiz in Krisenzeiten wie jetzt wegen Corona oft der Ruf nach einer zentralgelenkten starken Hand aufkommt. Und darüber heftig diskutiert wird.

Wer oder was hat Sie bei Ihrer Arbeit als EU-Korrespondent am meisten beeindruckt?

Die kollegiale Zusammenarbeit unter den vielen internationalen Journalisten – selbst wenn diese teilweise eine völlig andere Weltanschauung hatten als ich. Zu sehen, wie Themen in anderen Teilen der Welt ganz anders beurteilt werden, war eine wertvolle Erfahrung. Zudem ist die Stadt Brüssel mit ihrem internationalen Flair ein sehr inspirierender Ort voller kontaktfreudiger Menschen aller Couleur. Es kam mir vor wie ein grosses Erasmus-Programm. Nicht zu vergessen der geografische Vorteil: Von Brüssel aus ist man mit dem Zug innerhalb von rund zwei Stunden in Paris, London oder Amsterdam.

Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Entwicklung der EU und ihr Verhältnis zur Schweiz?

Die EU hat sich von einem Staatenbund in Richtung Bundesstaat entwickelt. Das Grundproblem dabei ist allerdings, dass man sich nie auf ein Endziel geeinigt hat. Die EU funktioniert in gewissen Bereichen schon heute als richtiger Staat, während in anderen die Zusammenarbeit nur lose ist. Diese Konstruktion ist sehr krisenanfällig. Das Verhältnis zur Schweiz ist relativ eng, allerdings wird die Schweiz auch als sehr anstrengender Verhandlungspartner wahrgenommen. Hinsichtlich des Rahmenabkommens beispielsweise hat man in Brüssel den Eindruck, die Schweiz weiss nicht, was sie will. Man hat fast sechs Jahre verhandelt und die Schweiz hat dazu immer noch keinen Grundsatzentscheid gefällt. Dass sich deswegen in der EU Ungeduld breitmacht, kann ich verstehen.

Seit letzten Monat sind Sie bei SRF in der neu geschaffenen Funktion des internationalen Korrespondenten tätig. Ist man da nicht zu weit vom Geschehen entfernt, wenn man von Zürich aus agiert?

Das ist für mich im Moment schwierig zu beurteilen, da ich erst letzte Woche in den Job eingestiegen bin und zudem noch im Homeoffice arbeite. Generell stimmt es natürlich, dass man für diese Aufgabe ein gutes Kontaktnetz aufbauen muss. Das wird eine meiner grossen Herausforderungen sein.

Nebst der Auslandsberichterstattung moderieren Sie ab morgen Donnerstag auch das Auslandsmagazin «#SRFglobal». Fällt Ihnen die Moderation genauso leicht wie die Berichterstattung?

Ich bin es zwar gewohnt, vor der Kamera zu stehen, aber eine Moderation ist doch noch mal eine andere Kiste. Schauen wir mal. Ich freue mich jedenfalls darauf.

«#SRFglobal», Donnerstag, 7.5., SRF1, mit Sebastian Ramspeck

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