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Interview

Viele Medikationsfehler entstehen in den Spitälern im Bereich Richten/Zubereiten, wozu auch das Einspritzen von Zusätzen in eine Infusion zählt. Symbolbild: iStock

«Medikationschecks lohnen sich auch finanziell»

Von: Sacha Beuth

14. November 2017

Laut der Stiftung Patientensicherheit Zürich nehmen Medikationsfehler immer mehr zu. Dieser Entwicklung will die Stiftung mit breit angelegten Checks entgegentreten. Im Universitätsspital Zürich befürwortet man diese Checks nicht nur, sondern hat bereits technische und strukturelle Massnahmen ergriffen – mit Erfolg.

Jeder zehnte Patient erleidet gemäss der Stiftung Patientensicherheit Schweiz wegen Medikationsfehlern oder unerwünschter Wirkungen der Medikamente im Spital ein ungewolltes Ereignis. Besonders risikoreich sind dabei die Übergänge in der Behandlung, etwa vom Hausarzt zum Spezialisten. Aber auch innerhalb eines Spitals passieren viele Fehler. Um diese zu minimieren, sollen an den Spitälern systematische Medikationschecks zum Standard werden. Am Universitätsspital Zürich (USZ) ist man sich des Problems längst bewusst und hat bereits entsprechende Massnahmen ergriffen, wie Jörk Volbracht, Leiter Stab Ärztliche Direktion, betont.

Wie viele Fälle von Medikationsfehlern gibt es am Unispital pro Jahr?

Jörk Volbracht: Für 2016 verzeichneten wir knapp 600 gemeldete Fälle von Medikationsfehlern, das entspricht etwa 7 Prozent aller behandelten stationären Fälle. Hierbei handelt es sich nur um die gemessenen, also gemeldeten Fälle. Die reale Menge dürfte höher sein, da nicht jeder Fall vom Pflegepersonal oder vom Patienten bemerkt wird. Damit aber kein schiefes Bild entsteht, ist es wichtig, zu erwähnen, dass die Zahlen nur etwas über die Häufigkeit der Fehler aussagen, nicht jedoch über die Auswirkungen und Schäden. Es sind also auch Medikationsfehler gemeldet, die keine Folgen für den Patienten hatten.

Was sind die häufigsten Medikationsfehler?

Im Bereich Richten/Zubereiten passieren bei uns mit 260 Fällen am meisten Fehler. Dazu zählt das Bereitstellen der Medikamente für den Patienten, die Zuordnung von Tabletten für Patienten (welche wird wann eingenommen), das Aufziehen einer Spritze oder das Einspritzen von Zusätzen in eine Infusion. Dahinter folgt mit 210 Fällen der Bereich Verordnung, also wenn beispielsweise ein falsches Medikament verordnet oder ein richtiges Medikament in einer falschen Dosierung verabreicht wurde. Den dritten Platz teilen sich die Bereiche Lagerung, Verteilung (z. B. Medikament an falsche Station geliefert) und Verabreichung (z. B. Fusionsbeutel undicht) mit jeweils knapp 30 Fällen.

Insgesamt sind Medikationsfehler in den Schweizer Spitälern in den letzten Jahren gestiegen. Auch am Unispital?

Im Gegenteil. Wir konnten am USZ die Zahl der gemeldeten Medikationsfehler von 10 auf 7 Prozent senken. Zurückzuführen ist dies hauptsächlich auf die Einführung von durchgehenden elektronischen Patientenakten auf den normalen Stationen (im Gegensatz zu Spitälern mit papiergestützter Dokumentation) sowie gezielten Schulungen. Wir wenden auch immer öfter regelbasierte Checks der Medikamentenverordnung an, wobei jeweils eine gute Balance zwischen der Häufigkeit eines richtigen Alarms und eines Fehlalarms gefunden werden muss.

Können Sie Letzteres genauer erläutern?

Unser Patientenkontrollsystem erkennt Überdosierungen und gibt dann Warnmeldungen ab. Ziel ist, dass diese Warnungen nur bei wichtigen und eindeutigen Symptomen erscheinen. Leider ist in der Medizin aber vieles nicht immer eindeutig.

Was halten Sie von der Forderung von Patientensicherheit Schweiz, an den Schnittstellen zwischen Hausarzt und Spezialisten Medikationschecks einzuführen?

Diese Forderung ist aus Sicht des USZ berechtigt. Das USZ wird ein Pilotprojekt im ersten Quartal 2018 starten. Bei Patienten mit komplexen Erkrankungen werden dabei die Verordnungen mit den nachbehandelnden Hausärzten oder Spezialisten besprochen.

Die Checks verursachen zusätzliche Kosten, die im Endeffekt der Patient bezahlen muss. Kann man durch Fehlervermeidung trotzdem Kosten senken?

Abgesehen von den gesundheitlichen Vorteilen für den Patienten lohnen sich die Checks auch, wenn man Zusatzkosten bzw. Investitionen für zusätzliche Ressourcen hinzurechnet. Und zwar bei weitem. Einerseits, weil das 2012 eingeführte, neue Abrechnungssystem für Schweizer Spitäler diejenigen Spitäler belohnt, weniger Behandlungs- und Medikationsfehler verursachen als der Durchschnitt. Andererseits, weil so schneller Betten für neue Patienten frei werden, wenn nicht nachbehandelt werden muss.

Hätte das Unispital für diese Checks überhaupt genügend Personal und Finanzen zur Verfügung?

Wenn es wie hier einen Sinn ergibt, sind wir auch bereit, wo nötig den Personalbestand aufzustocken. Zudem investieren wir ja schon heute in die Weiterentwicklung der Technik zur Fehlervermeidung und in Schulungen zur richtigen Anwendung von Medikamenten.

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