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Interview

Jaël Malli zeigt auf ihrem neuen Album auch ihre verletzliche Seite. (Bild: PD)

«Perfekt sein ist langweilig»

Von: Christian Saggese

01. Oktober 2019

Ex-Lunik-Sängerin Jaël Malli hat ihr drittes Soloalbum namens «Nothing to Hide» veröffentlicht. Noch nie hat man die Bernerin so persönlich gehört. Am 17. November stellt sie ihr Werk im Kaufleuten vor.

 

Sie sind seit vier Jahren als Solosängerin unterwegs und haben in dieser Zeit bereits drei Alben veröffentlicht. Hand aufs Herz: Wie fest nervt es Sie, noch immer als Ex-Sängerin von Lunik beworben zu werden?

Jaël Malli: Das nervt mich überhaupt nicht! Lunik war eine sehr wichtige Zeit für mich. Ohne die Band wäre ich heute nicht die, die ich bin. Der Erfolg hat mir geholfen, auch als Solokünstlerin von Beginn weg eine hohe Beachtung zu erhalten. Zudem konnte ich mich während der Lunik-Phase musikalisch stetig verbessern und auch mein Selbstvertrauen stärken.

Als Solokünstlerin haben Sie mehr Freiheiten als mit einer fixen Band. Was geniessen Sie besonders daran?
Ich habe das Sagen! (lacht) Beispielsweise kann ich bei den Liveproben bestimmen, wie die Songs und die Show letztlich umgesetzt werden. Natürlich lasse ich aber auch die Meinung jedes Bandmitglieds miteinfliessen. Letztlich trage aber ich die Verantwortung über den Output, was einen selbsterklärend unter zusätzlichen Druck stellt. Doch diese Herausforderung macht mir Spass.

Ihr neues Album heisst «Nothing to Hide», auf Deutsch «Nichts zu verstecken». Sie öffnen sich in ihren Texten sehr, gewähren einen Einblick in Ihr Innenleben.

Das stimmt, man könnte sagen, die Texte sind nahezu «Seelenexhibitionismus»! (schmunzelt) Es fühlte sich an, als ob ich ein Tagebuch schreibe. Mit dem Unterschied, dass der Inhalt nun veröffentlicht wurde.


Mit persönlichen Texten macht man sich auch angreifbar. Wie vor einem Jahr, als sie Mutter wurden und in den Medien ehrlich kommunizierten, dass sie anfangs oft am Anschlag waren. Dies sorgte zum Teil für kritische Stimmen von anderen Müttern.

Es gab tatsächlich einmal eine Zeit, als ich mich kaum mehr traute, Kritiken oder Kommentare über meine Arbeit zu lesen. Mittlerweile bin ich 20 Jahre in diesem Business und habe mir nicht nur eine dickere Haut zugelegt, sondern auch gelernt, besser mit Kritik umzugehen. Wichtig ist, dass sie begründet ist und es nicht nur wüste Beschimpfungen sind. Dass man polarisiert, ist generell nichts Schlechtes. Zudem kann ich mir nicht vorstellen, beim Songschreiben oder in Interviews stets darauf zu achten, niemandem auf die Füsse zu treten. Für mich ist Musik etwas sehr Persönliches und nicht etwa ein Massenprodukt. Umso schöner, wenn nach dem Konzert Leute auf mich zukommen und sagen, dass sie sich durch meine Texte verstanden gefühlt und Kraft daraus geschöpft haben.

Im Musikvideo zur ersten Singleauskopplung Ihres Albums, «Done with Fake», auf Deutsch «Mit dem Unechten abgeschlossen», schminken Sie sich ab und zeigen Ihre Natürlichkeit. Aus Schein wird Sein. Ist die Bevölkerung für Sie zu oberflächlich?

Ich bin froh, haben Sie es so verstanden. Viele meinen, ich kritisiere damit das Schminken an sich! (lacht) Dem ist aber nicht so. Der Song entstand in einer Zeit, als ich mich entschloss, in meinem Bekanntenkreis auszumisten, so schlimm sich das jetzt auch anhören mag. Doch mit bald 40 Jahren habe ich die Hälfte meines Lebens hinter mir. Den Rest möchte ich mit Substanz füllen, nicht mit oberflächlichem Gelaber. Leider gibt es zu viele Menschen, die sich nach aussen hin nicht so geben, wie sie eigentlich sind. Sie wollen perfekt sein. Dabei haben sie ebenfalls Probleme, worüber man mit Gleichgesinnten sprechen könnte. Doch sie reissen lieber blöde Scherze, um sich nicht verletzlich zu zeigen. Das ist schade. Perfekt sein ist langweilig!

Ihr erstes Soloalbum war noch experimentell und poppig. Nun wurden die Instrumente heruntergefahren, es handelt sich um ein ruhigeres Folk- und Singer-Songwriter-Werk. Wissen Sie noch nicht, wo sie solo hinwollen oder ist Ihnen die Freiheit wichtig, sich immer neu zu erfinden, auch wenn man damit treue Fans verlieren könnte?

Die Freiheit brauche ich, das Musizieren ist für mich nichts Konzeptionelles, sondern entsteht aus meinem aktuellen Bauchgefühl heraus. Beim ersten Soloalbum beispielsweise wollte ich unbedingt vorübergehend weg aus der Schweiz, auch, um einen klaren Schlussstrich unter die Lunik-Zeit zu ziehen. Ich wollte herausfinden, was noch alles in mir steckt, und arbeitete daher in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichsten Produzenten und Songwritern zusammen. Auf das Album war ich letztlich sehr stolz. Live merkte ich allerdings bei einigen Liedern, dass mich die Umsetzung auf der Bühne einschränkte. Das alles war ein wichtiger Lernprozess für mich. Bei «Nothing to Hide» habe ich nun mehrheitlich wieder selbst geschrieben und auf eine akustische Umsetzung gesetzt, die mir auch auf der Bühne besonders liegt und Spass macht.

Sie treten am 17. November im Kaufleuten auf. Was erwartet die Besucherinnen und Besucher?

Nebst neuen Songs erlaube ich es mir, auf meinen ganzen Katalog der letzten 20 Jahre zurückzugreifen. Sprich, es gibt sicher nebst den Liedern meiner ersten beiden Soloalben auch welche aus der Lunik-Zeit zu hören.  

Was verbinden Sie generell mit der Stadt Zürich?

Ich habe hier meinen Coiffeur! (lacht) Zudem leben Verwandte meines Mannes sowie einige alte Freunde aus Bern mittlerweile hier. Ich bin also desöfteren in Zürich. Witzigerweise höre ich dann oft die Frage, wann ich denn nun endlich nach Zürich ziehe. Als ob man als Bernerin dazu gezwungen ist und es einen sozialen Aufstieg bedeutet. (schmunzelt) Aber sorry, so sehr ich Zürich mag, mein Herz schlägt weiter für Bern.

Weitere Informationen:
«Nothing to Hide» von Jaël gibt es als CD, Vinyl, MP3 und auf den allen bekannten Streamingportalen.
Live: 17.11. im Kaufleuten Zürich.
www.jaelmusic.ch

 

ALBEN ZU GEWINNEN!

Das «Tagblatt der Stadt Zürich» verlost 3 CDs von Jaëls «Nothing to Hide!» Schreiben Sie uns eine E-Mail mit Namen, Adresse, Telefon, E-Mail-Adresse und Betreff Jaël an:
gewinn@tagblattzuerich.ch

 

 

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