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Interview

"Pferde sind meine grösste Herausforderung"

Von: Ginger Hebel

29. April 2014

Der Circus Knie gastiert ab dem 9. Mai nach vier Gastspielen auf der Landiwiese wieder auf dem Sechseläutenplatz. Das «Tagblatt» sprach mit Direktor Fredy Knie jun. über die Bedeutung des Zirkus, den Auftritt mit seiner dreijährigen Enkelin und seine Liebe zu Pferden.

Tagblatt der Stadt Zürich: Fredy Knie jun., Sie präsentieren mit Ihrer Enkelin Chanel Marie die Darbietung «Gross und Klein», eine klassische Dressur­nummer. Die Dreijährige gibt ihr Manegen­debüt. Was bedeutet Ihnen ­diese Nummer?

Fredy Knie jun.: Viel, denn es sind Emotionen im Spiel. Ich habe die Nummer schon mit meiner Tochter Géraldine vorgeführt und mit meinem Enkel Ivan Frédéric. Auch werden Erinnerungen an meine eigene Kindheit wach. Ich weiss noch, wie ich als Vierjähriger die Nummer mit meinem Vater machte. Einmal bin ich vom Pony gefallen, kopfüber ins Sägemehl. Ich wollte weinen, doch mein Vater nahm mich an der Hand und flüsterte mir zu, ich solle nicht weinen, erst hinter dem Vorhang; solche Sachen ­bleiben einem im Gedächtnis.

Nach vier Jahren kehrt Ihr Zirkus wieder auf den Sechseläutenplatz zurück. Zum ersten Mal wird auf dem neuen Platz mit Valser Quarzit gespielt, sind Sie aufgeregt?

Wir sind in erster Linie froh, wieder zurück auf dem Sechseläutenplatz zu sein, hier sind wir daheim. Seit 1919 haben wir immer auf dem Sechseläutenplatz gespielt, nur während der Kriegsjahre nicht. Der Steinboden ist für unseren Zirkus kein Problem. Zürich hat gewusst, ­welche Ansprüche ein Zirkus hat, es sollte also alles klappen.

Gerade ist Ihr Buch «Mein Leben – meine Pferde» erschienen. Sie sind international anerkannter Tierlehrer. Wie erklären Sie die Verbindung zwischen den Pferden und Ihnen?

Pferde sind meine grösste Herausforderung. Es macht mir Freude, wenn ich merke, dass ich etwas mit meiner Art des Umgangs mit Tieren erreiche. Dieses Wissen will ich weitergeben an ­junge Interessierte. Ein Pferd ist ein Fluchttier, es möchte nichts von uns Menschen, es liegt daher an uns, einen Kontakt zu ihm aufzubauen. Ein Pferd will nicht im Stall stehen, es will beschäftigt werden.

Das ist Ihr Leitsatz: Die Pferde sollen ­dürfen, nicht müssen.

Ja, es muss ihnen Spass machen. Ich bin mit Pferden aufgewachsen, spüre, ob sie einen Kontakt zu mir haben. Beim diesjährigen Zirkusprogramm treten 23 Pferde auf, keines ist gleich, jedes hat einen anderen Charakter, ein anderes Temperament. Ich trainiere mit ihnen jeden Tag, aber ich forciere nichts.

Als kleiner Bub haben Sie mit Tierfiguren aus Holz gespielt. Wann war klar, dass Sie in die Fussstapfen Ihres Vaters treten und die Pferdenummern im Knie übernehmen werden?

Ich bin 1946 geboren, nach dem Krieg, als Kind war man da noch nicht verwöhnt, was Spielsachen betraf. Ich habe nie mit Autos gespielt, nur mit Holztieren und ihnen Gehege gebaut. Mein Bruder ist auch mit Tieren aufgewachsen, aber es war für ihn nie das grosse Ding wie für mich. Wenn man mit Tieren arbeiten will, wie ich es tue, muss man beinahe fanatisch sein und Herzblut dafür haben.

Sie integrieren in Ihre Tiernummern auch Zebras, Guanakos und Trampel­tiere. Lassen sie sich einfacher dressieren als Pferde?

Mein Vater hat immer gesagt, wenn man die Feinfühligkeit besitzt, um mit Pferden umzugehen, dann kann man es mit allen Tieren, und er hatte recht. Das Pferd ist das sensibelste Tier überhaupt. Wenn ich ein untrainiertes Pferd bekomme, dauert allein die Grundausbildung ein Jahr, dann benötigt man mindestens noch ein zweites, bis etwas zustande kommt. Mit einem jungen Raubtier studiere ich in drei Monaten eine Nummer ein. Ich habe aber auch meine Tiger geliebt und mein Nashorn, das erste überhaupt, das in einer Manege auftrat.

Ihr erstes eigenes Pferd hiess Parzi. Ihre Eltern haben Ihnen den Andalusier-Hengst zum 17. Geburtstag geschenkt. Niemand anderer durfte ihn je reiten. Haben Sie danach zu einem anderen Pferd nochmals eine so innige Beziehung aufgebaut?

Nein, aber ich wollte das auch nicht. Mit Parzi und mir, das war etwas Einmaliges. Mein Vater spürte sofort, dass wir es gut zusammen konnten. Nie im Leben hätte ich aber gedacht, dass er es mir schenken würde. An meinem 17. Geburtstag stand Parzi plötzlich vor mir, feierlich geschmückt. Ich bin beinahe ohnmächtig geworden vor Freude. Ich bin mit ihm die Hohe Schule geritten, ohne Zaum und Sattel, das hat uns zusammengeschweisst. Mit 27 Jahren mussten wir ihn einschläfern lassen, er litt an einer schweren Kniearthrose. Ein Pferd ist ein Lauftier, wenn es vor Schmerzen nicht mehr laufen kann, muss man es erlösen. Doch für mich ist es noch heute sehr unangenehm, dass ich das entscheiden muss. Das macht mir zu schaffen.

Sie stehen seit 64 Jahren in der Manege. Inwiefern hat sich die Zirkuswelt ver­ändert?

Seit es Zirkus gibt, hat er sich immer verändert, und das ist gut so, denn man muss mit der Zeit gehen. Das Traditionelle ist uns noch heute wichtig, aber wir modernisieren immer wieder. Vor 25 Jahren hatten wir im Zelt nur Scheinwerfer mit den Farben Rot, Gelb und Blau, heute arbeiten wir mit einer raffinierten Lichttechnik. Wenn man heutzutage die Masse erreichen will, muss man in allen Bereichen top sein, die besten Artisten haben, die besten Nummern.

Ist es heute also schwieriger, die Leute zu überzeugen und zu begeistern?

Absolut. Als ich jung war, gastierten wir mit dem Circus Knie im Mai in Zürich, im Herbst fand das Sechstagerennen statt, ansonsten war kaum was los in der Stadt. Heute ist das Unterhaltungsangebot immens, die Konkurrenz gross, man muss viel mehr kämpfen. Wenn im Hallenstadion ein Rockkonzert stattfindet, dann reisen die Leute von überall her an, wir kommen mit unserem Zirkus zu den Leuten in die Städte und Dörfer, und das erwarten sie auch.

Das aktuelle Programm heisst «David ­Larible – der Clown der Clowns». Wie wichtig ist der klassische Clown für den Zirkus von heute?

Sehr wichtig, denn die Leute müssen lachen können. Klassische Clowns sind am Aussterben. Mittelmässige Clowns gibt es viele. Ein hervorragender Clown muss die Kinder zum Lachen bringen, aber auch die Erwachsenen, das ist die grosse Kunst, und David Larible beherrscht sie perfekt.

Circus Knie, 9. Mai bis 9. Juni auf dem Sechseläutenplatz. Fredy Knie jun. signiert sein Buch «Mein Leben – meine Pferde» bei jeder Vorstellung. Es ist auch im Onlineshop erhältlich unter www.knie.ch

 

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