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Interview

Der Komödiant, der auch "ernst" kann: Michael «Bully» Herbig hatte bei der Präsentation von «Ballon» am ZFF. Bild: ZFF

«Um in Freiheit zu leben, haben sie alles riskiert»

Von: Sacha Beuth

09. Oktober 2018

FLUCHTDRAMA Dank erfolgreicher Komödien wie «Der Schuh des Manitu» oder «(T)Raumschiff Surprise» hat sich Michael «Bully» Herbig (50) in der Filmwelt einen Namen gemacht. Am Zurich Film Festival, das am Sonntag zu Ende ging, stellte er mit seinem neusten Werk «Ballon» ein ernstes Thema vor: die Flucht zweier Familien aus der DDR.

Sommer 1979. Die Familien Strelzyk und Wetzel haben genug vom Leben in der DDR. Gemeinsam beschliessen sie, mit einem selbst gebauten Heissluftballon nach Westdeutschland zu fliehen. Nach einem ersten gescheiterten Fluchtversuch ist ihnen jedoch die Stasi auf den Fersen. Die Story von Bully Herbigs «Ballon» beruht auf einer wahren Begebenheit und ist ein Remake des Disneyfilms «Mit dem Wind nach Westen». Am Donnerstag präsentierte der Bayer sein Werk dem Publikum des Zurich Film Festivals.

In Zürich hat man generell nicht so einen nahen Bezug zur DDR oder dem Thema Republikflucht als in Deutschland. Wie waren die Reaktionen des ZFF-Publikums auf Ihren Film?

Michael «Bully» Herbig: Sie waren toll. Bei den spannenden Szenen wurde der Atem angehalten, an den humorvollen Stellen hat das Publikum gelacht. Und am Schluss gab es Applaus. Das hat mir gezeigt, dass der Film als Ganzes funktioniert – auch wenn die persönliche emotionale Bindung bei den meisten Zuschauern vielleicht fehlte. Aber das Streben nach einem Leben in Freiheit ist ja universell. Wer Empathie besitzt, kann das nachvollziehen.

Wie kamen Sie auf die Idee, vom Disneyfilm «Mit dem Wind nach Westen» ein Remake zu drehen?

Ich sah den Film Anfang der 80er und war total fasziniert. Vor allem der Mut der beiden Familien hat mich beeindruckt. Um in Freiheit zu leben, haben sie alles riskiert. Als ich vor etwa sieben Jahren die Idee hatte, mich dem Thema Thriller zuzuwenden, kam mir die Geschichte wieder in den Sinn. Und obwohl ich bald herausfand, dass ich die Rechte dafür brauche, hatte ich nie das Gefühl, dass es ein Remake wird.

Stichwort Filmrechte. Die hatte sich Disney von den Strelzyks und Wetzels gesichert. Wie gelangten sie in Ihre Hände?

Ich war zuerst bei den Familien und habe mir die Verträge zeigen lassen. Da gab es nichts dran zu rütteln. Also habe ich versucht, über alle möglichen Wege mit den Verantwortlichen von Disney in Kontakt zu treten, mir aber dabei zwei Jahre lang die Zähne ausgebissen. Bis ich mich an den deutschen Hollywood-Regisseur Roland Emmerich wandte. Der sagte: «Ich kenne zwei Leute bei Disney, die rufe ich mal an.» Zwei Wochen später hatte ich einen Termin bei Disney, stellte mein Projekt vor und erhielt die deutschsprachigen Rechte für ein Remake. Das war einerseits ein erfreulicher Moment, andererseits aber auch leicht frustrierend. Du mühst dich zwei Jahre ab, und bei einem anderen genügt ein Telefonanruf.

Sie sind vor allem durch Ihre Komödien bekannt. Wie wichtig war es Ihnen, zu zeigen, dass «der lustige Bully» auch «ernst» kann?

Das klingt so ambitioniert. Ich hatte einfach Lust darauf, einen Thriller zu drehen. Und diese Lust hat alle Zweifel verdrängt. Erst im Nachhinein, als mir von Journalisten diese Frage gestellt wurde, wird mir beim Gedanken daran etwas mulmig. Stimmt schon, hätte auch schiefgehen können.

In Ihren anderen Werken haben Sie immer selber mitgespielt. Warum nicht auch dieses Mal, etwa in der Rolle des Günter Wetzel, dem Sie schon äusserlich ähneln?

Das war für mich von Anfang an ein absolutes No-go. Das hätte den Film kaputt gemacht. Ich wollte das Publikum nicht aus der Geschichte reissen. Es gibt nicht einmal einen Cameo-Auftritt und auch die Credits mit meinem Namen habe ich bewusst an den Schluss von «Ballon» gehängt.

Der Film besticht durch Authentizität, obwohl sich vieles nach dem Untergang der DDR verändert hat. Wie schwer war die technische Umsetzung?

Das war in der Tat eine Herausforderung. Am Original-Wohnort der beiden Familien, im thüringischen Pössneck, war die Veränderung zu gross, sodass wir auf das bayrische Nordhalben ausweichen mussten. Dort war man äusserst entgegenkommend, und wir durften Strassenschilder, Markierungen und Fassaden abändern bzw. austauschen. Es war mir enorm wichtig, keine inhaltlichen Fehler zu machen. Darum haben wir dann auch, als der Film fertig war, nochmals jede einzelne Szene kontrolliert. Ich wollte einfach nicht, dass man später sagt: So stellt sich also der Komiker aus Bayern die DDR vor.

Trotzdem gibt es ein paar künstlerische Freiheiten, oder?

Ja, wir haben ein paar Dinge zugespitzt, um beim Zuschauer dieselbe Gefühlslage zu erzeugen, in der sich die beiden Familien befanden. Die Freundin von Strelzyks ältestem Sohn Frank gab es zwar, aber die Sache war nicht so ernst. Und auch die Stasi war nicht so nah dran wie im Film dargestellt. Trotzdem ist Günter Wetzel überzeugt: Hätten sie sechs Tage länger mit der Flucht gewartet, wären sie geschnappt worden.

Der Film «Ballon» läuft seit dem 27. September in den deutschen Kinos. Das Datum für den Kinostart in der Schweiz steht noch aus.

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