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Interview

Virenexperten: Gerhard Eich (l.), Leiter Infektiologie am Triemlispital, und Morten Keller, Chef Stadtärztlicher Dienst. Bild: Nicolas Y. Aebi

«Viren sorgen für ein permanentes Wettrüsten»

Von: Sacha Beuth

11. November 2014

Ebola- und Grippeviren sorgen gerade weltweit für Schlagzeilen und beschäftigen auch die Gesundheitsexperten der Stadt Zürich. Zwei davon – Gerhard Eich (57), Leiter Infektiologie am Stadtspital Triemli, und Morten Keller (50), Chef des Stadtärztlichen Dienstes – stellten sich für ein Interview zur Verfügung. Das «Tagblatt» wollte von ihnen wissen, wie gross generell die Gefahr einer Erkrankung durch Viren ist, welche Präventionsmassnahmen man in Zürich bezüglich Ebola und Grippe unternimmt und wie man sich selbst am besten vor Viren schützt.

Tagblatt der Stadt Zürich: Herr Eich, Herr Keller, wir haben uns zur Begrüssung gerade die Hände geschüttelt. Wie viele verschiedene Viren wurden dabei ausgetauscht?

Gerhard Eich: Keine, ich habe mir vorher extra die Hände desinfiziert (lacht). Im Ernst: Eine Zahl kann ich nicht nennen. Grundsätzlich ist aber Händeschütteln nicht der Hauptmechanismus bei der Virenübertragung, da viele Viren – je nach Virentyp und Umweltbedingungen – ausserhalb ihres Lebensraums oft nur kurze Zeit über­leben. Um eine Infektion auszulösen, müssen Viren möglichst auf direktem Weg dorthin gelangen. Bei einem ­Grippevirus wären dies beispielsweise die Schleimhäute im Nasen-Rachen-Raum.

Morten Keller: Was aber nicht als Freibrief verstanden werden sollte, sich nicht die Hände zu waschen. Schliesslich gibt es ja noch andere Krankheitserreger als Viren. Etwa Bakterien, insbesondere solche mit Resistenzen gegen Antibiotika.

Wie viele Viren, die einen Effekt auf den Menschen haben, gibt es, und wie viele davon stellen eine Gefahr dar?

Keller: Es dürfen wohl Tausende sein, die teils banale, teils ernste Erkrankungen auslösen können.

Zwei, die saisonale Grippe und Ebola, machen gerade Schlagzeilen. Wie gross ist für uns in Zürich das jeweilige Ansteckungs­risiko?

Eich: Die Grippe ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit, die sehr leicht durch Tröpfchen, die beim Niessen und Husten entstehen, übertragen wird. Weil sich die Grippeviren laufend verändern, kann der Mensch keine bleibende Immunität aufbauen und die Grippe kehrt in jährlichen Epidemien wieder, in denen jeweils 3 bis 5 Prozent der Bevölkerung erkranken. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Ebola um eine zwar katastrophale, im Moment aber noch auf wenige Länder Westafrikas begrenzte Epidemie. Nur durch infizierte Menschen wird Ebola in andere Weltgegenden exportiert. Bisher handelte es sich dabei – mit einer Ausnahme – um medizinische Helfer, die sich bei ihrem Einsatz infiziert hatten. Diese Personen wurden von Beginn weg isoliert, und es kam deshalb weltweit «nur» zu drei Infektionsübertragungen ausserhalb von Westafrika.

Keller: Zudem erfolgt die Übertragung von Ebola ausschliesslich über den Kontakt mit Körpersekreten wie Erbrochenem, Stuhl oder Blut und lässt sich durch Hygienemassnahmen wesentlich besser kontrollieren als die durch Tröpfchen übertragene Grippe. In der Schweiz ist das Risiko, an Ebola zu erkranken, gegenwärtig gleich null.

Trotzdem bereitet man sich in Zürich auf allfällige Ebola-Fälle vor. Welche Präventionsmassnahmen werden konkret ergriffen?

Keller: Das Bundesamt für Gesundheit hat die Kantone beauftragt, jeweils entsprechende Betreuungsplätze für allfällige Ebola-Kranke zu schaffen. Im Kanton Zürich fällt diese Aufgabe dem Unispital zu, unter anderem auch wegen der Nähe zum Flughafen, welcher als wahrscheinlichstes Einfallstor betrachtet werden muss. Dort wie auch bei Schutz & Rettung Zürich wurde bzw. wird Personal entsprechend geschult, etwa, wie es die Schutzanzüge zu benutzen hat oder wie kontaminierte Räume oder Transportmittel zu desinfizieren sind.

Welche anderen viralen Erkrankungen haben heutzutage grossen Einfluss auf die Gesundheit des Menschen?

Eich: Da gibt es einige. Angefangen bei chronischen Infektionen wie HIV und Hepatitis über Norovirus bis zu Kinderkrankheiten wie Wilde Blattern, Mumps, Röteln und Masern.

Stichwort Masern. Die glaubte man in Westeuropa im Griff zu haben. Kürzlich erkrankte in Deutschland aber ein Kind an dieser Viruserkrankung und ist dem Tod geweiht. Lassen sich Viren gar nicht ausrotten?

Eich: Die Pocken ist die bisher einzige Viruskrankheit, die ausgerottet werden konnte. Bei der Kinderlähmung besteht die Hoffnung, dass dies in absehbarer Zeit gelingen könnte. Viren sorgen für ein permanentes Wettrüsten mit dem Immunsystem. Eine Ausrottung ist nur möglich, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Das Virus verursacht keine chronische Infektion, und es hinterlässt nach einer Infektion oder einer Impfung eine lebenslange Immunität.

Keller: Wenn in dieser Situation genügend viele Personen geimpft sind, so findet das Virus keine neuen Opfer und stirbt aus. Für die Ausrottung der Masern wäre jedoch eine Impfrate von 95 Prozent notwendig. Eine Zahl, die wir nur mit grossem Engagement erreichen können.

Wieweit kann man selbst einer viralen Infektion vorbeugen?

Eich: Das kann man nicht verallgemeinern, weil die Infektionswege oft unterschiedlich sind und/oder keine Impfung exisitiert. Um sich vor einer Grippeninfektion zu schützen, kann man versuchen, den Kontakt zu Infizierten zu vermeiden. Personen, die selbst infiziert sind, sollten zu Hause bleiben und in Gesellschaft jeweils ins Taschentuch oder den Ärmel niessen.

Keller: Die wichtigste Schutzmassnahme ist deshalb die Impfung, die vor allem für Personen über 65 Jahre, für Personen mit Grundkrankheiten und für Schwangere empfohlen ist. Darüber hinaus können sich alle impfen lassen, die sich selbst schützen und nicht krank werden möchten.

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