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Interview

Reisegruppe vor der peruanischen Ruinenstadt Machu Picchu.

Von Barrierefreiheit noch weit entfernt

Von: Stine Wetzel

16. Januar 2018

Die Ferienmesse Fespo hat sich in diesem Jahr dem barrierefreien Reisen verschrieben – ein Thema, bei dem die Reisebranche noch hinterherhinke, sagt Helena Bigler von Procap Schweiz.

«Menschen mit Behinderung sind in den letzten Jahrzehnten mutiger geworden, was das Reisen anbelangt», sagt Helena Bigler, Leiterin Reisen und Sport bei Procap Schweiz, Mitgliederverband für Menschen mit Behinderung.

Macht barrierefreies Reisen als Thema der Publikumsmesse ­Fespo aus Ihrer Sicht Sinn?

Helena Bigler: Wir waren sehr erfreut, dass sich die Reisebranche dieses Themas annimmt. Es gibt ­definitiv Nachholbedarf, und das barrierefreie Reisen wird auch im Seniorenbereich immer wichtiger. Doch die Organisatoren haben schnell bemerkt, dass das Sonderthema anders funktioniert als andere Reisethemen. An der Fespo können wir sicher die Branche und andere Reisende für das Thema sensibilisieren. Ausserdem suchen wir freiwillige Reisebegleiter. Jedes Jahr sind etwa 350 Freiwillige bei Gruppenreisen im Einsatz, sodass wir auf einen Verteilschlüssel von 1:1 bis 1:4 kommen.

Sie organisieren seit über 20 Jahren Reisen für Menschen mit Behinderung. Wie hat sich das Reisen für diese Zielgruppe seither verändert?

Menschen mit Behinderung sind vor allem mutiger geworden. Mit der Gleichstellungsbewegung hat sich bei ihnen die Erwartungshaltung entwickelt, dass die Welt auch für sie zugänglich ist. Wie barrierefrei sind die Touristenpfade wirklich? Die Reisebranche ist inzwischen auf Rollstuhlgängigkeit sensibilisiert, aber von Barrierefreiheit sind wir noch weit entfernt.

Welche Bereiche haben besonders Nachholbedarf?

So pauschal lässt sich das nicht sagen. Was uns auffällt, ist, dass Länder wie Deutschland und Italien barrierefreier sind als die Schweiz, weil sie nach dem Zweiten Weltkrieg systematisch mit Kriegsversehrten zu tun hatten. Reisen, bei denen Menschen mit Mobilitätsbehinderung momentan ausgeschlossen sind, sind Flussfahrten. Der Markt boomt, es werden ständig Schiffe getauft, aber es gibt keinen Anbieter, der auf unsere Zielgruppe sensibilisiert ist. Dabei wäre die Nachfrage da. Basel–Rotterdam fände ich zum Beispiel fantastisch. Sie testen jedes Angebot.

Wann ist ein Hotel oder eine Anlage für Sie durchgefallen?

Wir bewerten Hotels und Anlagen nicht nach «gut» oder «schlecht», vielmehr prüfen wir: Kommt ein Rollstuhlfahrer in den Pool? Auf die Terrasse? Wie frei kann er sich bewegen? Gibt es für Sehbehinderte Leitlinien? Mobilitätsanpassungen sind für Reiseanbieter aber immer am einschneidendsten. Wir organisieren aber auch Gruppenreisen für Menschen mit geistigen Behinderungen – da haben wir in Hotels schon mal gehört: «Eure Gruppen wollen wir nicht mehr, die stören die anderen Gäste.»

Wie reagieren Sie auf eine solche Abfuhr?

Eigentlich ist das Diskriminierung. Menschen mit Behinderung, vor allem mit einer geistigen, passen anscheinend nicht ins Ferienbild. Wenn wir merken, dass wir irgendwo nicht willkommen sind, gehen wir auch nicht mehr.

Was sind die Bestseller in Ihrem Programm für Menschen mit Behinderungen?

Destinationen, die mit dem Bus erreichbar sind, und Badeferien. Beispielsweise auf Teneriffa. Oder auf Mallorca. Wobei: Seit Tunesien und Ägypten nicht mehr so sicher sind, ist Mallorca wieder so hip geworden, dass wir um unsere Plätze kämpfen müssen. Die Reisebranche funktioniert eben sehr wirtschaftlich. Viele unserer Kunden sind aber nicht ganz so finanzstark. Einen Anteil der Reisen zahlen wir daher mit Spendengeldern.

Weitere Informationen:
www.procap.ch
- Fachstelle für barrierefreies Reisen: Mobility International Schweiz Telefon: 062 212 67 40 www.mis-ch.ch
- Koordinationsstelle für Informationen im barrierefreien Tourismus: Barrierefreie Schweiz Telefon: 062 212 67 38 www.barrierefreieschweiz.ch

 

Ferienfieber: Rumänien ist Fespo-Gastland

Es ist wieder Zeit für Ferienstimmung: Vom 25. bis 28. Januar zeigen 600 Aussteller in der Messe Zürich, jeweils von 10 bis 18 Uhr, welche Destinationen eine Reise wert sind. Im letzten Jahr hatte die Messe laut Veranstalter 63 000 Besucher – bei weitem mehr als erwartet. Parallel zur Fespo findet auch wieder die Golfmesse statt (Halle 5).

In Transsilvanien auf die Suche nach Dracula gehen, Baden im Schwarzen Meer, Skifahren in den Karpaten: Rumänien ist in diesem Jahr Gastland der Fespo Zürich. Im Land der Bären und Wölfe warten Schlösser, in denen Mythen und Legenden schlummern, Sandstrände zum Faulenzen, Sumpflandschaften am Donaudelta, eine gewaltige Eishöhle mit 75 000 Kubikmetern Eis und ein gigantischer Parlamentspalast.

Das «Tagblatt» verlost 10 × 2 Tagestickets für die Fespo Zürich, die vom 25. bis 28. Januar in der Messe Zürich stattfindet. Schreiben Sie uns eine E-Mail mit Namen, Adresse, Telefon und Betreff Fespo an: gewinn@tagblattzuerich.ch

 

 

 

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