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Interview

"Wer Mimik gekonnt einsetzt, kommt besser an"

Von: Ginger Hebel

08. Dezember 2015

Körpersprache-Experte: Stefan Verra räumt mit gängigen Mythen auf und erklärt, warum Männer immer breitbeinig dasitzen, Frauen die Beine kreuzen und Angela Merkel wenig ansprechend wirkt.

Worauf achten Sie als Körpersprache-Experte als Erstes, wenn Sie einer Person gegenüberstehen?

Ich schaue nicht auf einzelne Signale, sondern betrachte den ganzen Körper. Ein einzelnes Signal hat nämlich nie eine Bedeutung. Zudem ist am Augenkontakt viel Spannendes zu erkennen.

Unser Körper verrät oft unbewusst, wie wir uns fühlen. Woran erkennen Sie, ob jemand aufgeregt ist?

Wenn man nervös ist, dann oft, weil man die Situation nicht einschätzen kann, zum Beispiel bei einem Bewerbungsgespräch oder einem Date. Der Körper schüttet die Stresshormone Cortisol und Adrenalin aus. Die Folgen sind fahrige Bewegungen, ein Beissen auf die Unterlippe, ein Herumnesteln in den Unterlagen. Das passiert automatisch, man kann nichts dagegen tun. Doch genau das macht einen auch sympathisch, denn es zeigt, dass man Respekt vor seinem Gegenüber hat.

Haben es Menschen mit einer guten Körpersprache einfacher im Leben?

Es gibt keine gute oder schlechte Körpersprache, es kommt immer auf die Situation an. So propagiere ich, mehr zu lächeln, weil lachende Menschen als ungefährlich und ­positiv eingeschätzt werden. Das heisst aber nicht, dass Lachen immer gut wäre. Doch wenn Menschen ihre Gefühle über die Körpersprache deutlich zeigen, können sie leichter eingeschätzt werden und kommen beim anderen besser an. Wer also die Körpersprache situationsangepasst verwendet, ist im Leben erfolgreicher.

Wer hat Ihrer Meinung nach eine gute Körpersprache und wer nicht?

Donald Trump ist, was seine Körpersprache betrifft, höchst attraktiv. Und das meine ich nicht im politischen Sinn. Er gestikuliert, hat eine ausufernde Mimik, seine Lippen bewegen sich, wenn er spricht – das weckt unsere Aufmerksamkeit. Angela Merkel hingegen wirkt mit ihrer unbewegten Mimik weniger ansprechend.

Verschränkte Arme symbolisieren Abwehr. Wahrheit oder Mythos?

Mythos. Man darf einzelnen Signalen keine eindeutige Deutung zuweisen, sondern muss die ganze Körperhaltung betrachten. Es gibt viele Gründe, warum eine Person die Arme verschränkt, vielleicht hat sie einfach nur kalt.

Aber an der Körpersprache lässt sich erkennen, ob jemand lügt.

Das ist Wunschdenken. Wir können ein Bauchgefühl haben, aber mit Sicherheit sagen, ob jemand lügt, das geht nicht. Ich arbeite seit Jahren mit Strafverteidigern zusammen und habe feststellen müssen, dass sich Lügner nicht, wie oft behauptet, an ihren Augenbewegungen überführen lassen. Solche Thesen sind wissenschaftlich nicht haltbar.

Wie wirkt man selbstsicher?

Selbstbewusst wirkt jemand, der sich traut, Raum in Anspruch zu nehmen. Wer Durchsetzungsfähigkeit ausstrahlen möchte, sollte sich hüftbreit hinstellen und auf eine symmetrische Körperhaltung achten. Den Kopf gerade halten, mit der Stirn leicht nach vorn, um jemandem, wie es so schön heisst, die Stirn zu bieten. So fällt es leichter, die Energie in eine Richtung zu lenken und Argumente durchzubringen. Das ist übrigens auch hilfreich bei Lohn- und Bewerbungsgesprächen.

Männer sitzen in Trams oft breitbeinig da, Frauen kreuzen die Beine. Was sagt Ihnen das?

Wenn Männer dasitzen, als sässen sie auf dem Gynäkologenstuhl, dann wirkt das recht aggressiv, denn es ist ein Territorial- und Potenzsignal. So, wie man es bei den Gorillas beobachtet, wo der Grösste und Stärkste sich durchschlägt und die meiste Nahrung bekommt. Frauen kreuzen die Beine als Schutzmechanismus. Zudem achten sie viel mehr darauf, anderen keinen Raum wegzunehmen.

Seit über 15 Jahren beschäftigen Sie sich mit nonverbaler Kommunikation. Was fasziniert Sie daran?

Mein Vater war Bildhauer, und somit war die Körperhaltung schon immer ein wichtiges Thema in unserer Familie. Zudem fasziniert es mich, wie offen Menschen das Thema annehmen, wenn man es mit Fakten aus der Wissenschaft und mit viel Humor erklärt. Denn wer Mimik und Gestik gekonnt einsetzt, kommt besser an.

Stefan Verra, 42, ist in Österreich geboren und lebt in München. Er ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten im deutschen Raum. Mit seinen Liveshows begeistert er die Zuschauer. Am Sonntag, 13. Dezember, tritt er mit seiner neuen Bühnenshow «Ertappt!» im Volkshaus, Weisser Saal, auf. Nächster Termin: 27. Oktober 2016 im Theater Spirgarten. Neu im Handel erhältlich ist sein Buch «Hey, dein Körper spricht!» (Edel Books). www.stefanverra.com

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