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Wenn Rechnungen und amtliche Aufforderungen einfach im Breifkasten bleiben. Bild: PD

Der Briefkasten - "das Tor zur Hölle"

Von: Jan Strobel

18. März 2014

Aus Furcht vor unangenehmer Post machen viele einen Bogen um den eigenen Briefkasten. Besonders Betreibungsämter versuchen, Ängste abzubauen.

Vor Kurzem erreichte die «Tagblatt»-Redaktion eine besorgte Zuschrift. Leser Laurent K. war aufgefallen, dass sein 28-jähriger Sohn seinen Briefkasten nicht mehr leert - aus Angst vor unangenehmer Post. Rechnungen oder amtliche Aufforderungen habe der Sohn so lange ungeöffnet liegen lassen, dass er bereits von der Krankenkasse betrieben wurde.

Das Problem ist kein unbekanntes. In diversen Internetforen bekennen sich Betroffene zu ihrer Angst. Der Briefkasten, heisst es, sei «das kleine Tor zur Hölle». Auf angstforum.info zum Beispiel beschreibt ein User seine Gefühlslage: «Ich kann den verdammten Briefkasten nicht öffnen. Ich gehe da jeden Tag daran vorbei. Jedes Mal sag ich mir: Ich nehme die Post morgen raus. Jeden Tag! Hab den Briefkasten dieses Jahr schätzungsweise vier mal geleert.» Als Grund gibt er die Angst vor dem Steueramt an.

Ergo- und Psychotherapeuten werden immer mehr auf das Phänomen aufmerksam. Sie sprechen von einer «Erledigungsblockade», die von ganz milden Formen bis hin zum Messie-Syndrom und zu Verwahrlosung reichen kann. In der Schweiz zählen nach Schätzungen zwischen 20 und 25 Prozent der Bevölkerung aus ganz unterschiedlichen Gründen zu notorischen «Aufschiebern».  Dieses Vermeidungsverhalten kennt auch Psychotherapeut Christoph Flückiger aus der Praxis. «Es kann ein Symptom von Angststörungen, Depressionen oder allzu hoher Belastung sein, ist aber keine spezifische Phobie», sagt der Forscher am Psychologischen Insitut der Universität Zürich. Ähnlich wie bei den Messies würden sich Rechnungen und amtliche Schreiben über Monate hinweg aufstapeln. Da die Behörden über die Situation nicht informiert seien, könne es zu Betreibungen oder sogar Gerichtsverfahren kommen. Dauert das Phänomen an oder entwickelt sich gar ein Verfolgungswahn, rät Flückiger, eine befreundete Person zu fragen, ob sie helfe, die Briefe zu öffnen. Schäme man sich zu sehr, sollte man professionelle Hilfe beanspruchen.

Ganz praktisch reagiert die Post auf überquellende Briefkästen. «Ist die Zustellung nicht mehr möglich, bringen wir einen Hinweis an, dass die Post vier Wochen zurückbehalten wird, weil der Briefkasten voll ist», sagt Bernhard Bürki von der Medienstelle der Post. Die nicht zustellbaren Sendungen gehen danach zurück an den Absender.

Solche Rücksendungen kennt man zum Beispiel beim Betreibungsamt Zürich 5 zur Genüge. Zwei - bis dreimal täglich komme es vor, dass  eingeschriebene Sendungen wie Vorladungen. Pfändungsurkunden oder andere Korrespondenz einfach nicht abgeholt würden. Weil besonders bei Jüngeren die Angst vor eingeschriebenen Briefen gross ist, gehen die Betreibungsämter bereits andere Wege: «Wir verschicken zum Beispiel SMS mit einer freundlichen Erinnerung oder rufen direkt an. Der persönliche Kontakt baut Ängste ab», sagt Thomas Zeller, Leiter des Betreibungsamtes Kreis 5. Das Verdrängungsproblem ist für Zeller ein Phänomen, das ihm besonders bei Zwangsräumungen von Wohnungen immer wieder begegnet. «Dort stapelt sich dann regelrecht ungeöffnete Post.» Er rät, immer dasdirekte Gespräch mit den Ämtern zu suchen, die Schwellenangst beiseite zu schieben, «den Stier bei den Hörnern zu packen, auch wenn es unangenehm ist.»                                        

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Leserkommentare

Ruth Joss - Dieses Problem ist oft Folge eines unerkannten ADHS, manchmal findet sich auch keine Ursache, jemand ist einfach in einem Bereich völlig blockiert. Erledigungsblockade kommt in allen Schichten vor - und: es fehlen dabei weder Wille noch Motivation, Fähigkeit
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Vor 10 Jahren 1 Woche  · 
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Lisa F. - Bei mir war die Betreibungsamt Kreis 2 alles andere als nett. Damals habe ich gar nicht verstanden was mit mir los war. Die Ämter haben mir mehr Angst eingejagt.

Vor 8 Jahren 4 Monaten  · 
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