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Eine Monatsdosis für 1028.80 Franken

Von: Jan Strobel

17. Juni 2014

In den Medien wird das HIV-Medikament Truvada immer wieder als neues Wundermittel gefeiert. Die Verkäufe steigen in Zürich stetig.

Seit das HIV-Medikament Truvada vor zehn Jahren in den USA zugelassen wurde, feiern das manche Medien wiederholt als «sexuelle Revolution». Denn tatsächlich verspricht Truvada einen Durchbruch in der Aids -Prävention. Eine Dosis pro Tag reduziert gemäss Studien das Risiko einer HIV-Infektion um 44 Prozent, bei konstanter Einnahme gar um bis zu 92 Prozent. In der Schweiz ist Truvada kassenpflichtig zugelassen. Anders als in den USA, wo die Pille jetzt prophylaktisch auf Kosten der Krankenversicherung auch an 500 000 HIV-Negative abgegeben werden soll, kommt sie hierzulande als Teil der Standardmedikation weiterhin nur in der Behandlung einer ­bereits bestehenden Infektion zum ­Einsatz. Die Nachfrage nach dem Medikament wächst in Zürich dabei stetig. In der Bahnhof-Apotheke im HB zum Beispiel sind die Verkäufe von Truvada 2012 im Vergleich zum Vorjahr um ganze 20  Prozent gestiegen, 2013 nochmals um 10  Prozent.

Besteht angesichts dieser Entwicklung nicht die Gefahr, dass die ­Botschaft der kostspieligen Safer-­Sex-Kampagnen ausgehöhlt wird, weil die Krankheit Aids immer mehr ihren Schrecken verliert? Franco Rogantini, Geschäftsführer der Zürcher Aids-Hilfe, sieht das nicht so: «Prävention ist eine Daueraufgabe, deren Bedeutung auch in Zukunft nicht abnehmen wird. Dank des Einsatzes solcher Medikamente können die Therapierten am Gesellschafts- und Arbeitsleben teilhaben.» Damit könne der immer noch bestehenden Stigmatisierung von HIV-Betroffenen entgegen gewirkt werden. Die Strategie, wie sie in den USA verfolgt wird, also Truvada einfach prophylaktisch abzugeben, ist für Rogantini allerdings nicht auf die Schweiz übertragbar: «Die Schweiz unterscheidet sich in ihrer Gesundheitspolitik und Präventionsstrategie deutlich von den USA. Als ärztliche Behandlungsmassnahme steht die Zürcher Aids-Hilfe jedoch einer solchen prophylaktischen Medikamentenverschreibung nicht im Weg.»

Dennoch: Es zeigt sich, dass Truvada absurderweise zu einer Art Lifestyle-Medikament umgedeutet wird. Auf Twitter und Facebook hat sich zum Beispiel eine Gruppe formiert, die das Medikament zur sexuellen Befreiung vom Kondom stilisiert. Sie liess sogar bereits eigene T-Shirts drucken. Sex ohne Kondom zu haben, sei schliesslich der Wunsch und das Ziel vieler Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, propagiert die Gruppe. Für Rogantini ist diese oberflächliche Umdeutung des Medikaments nicht tragbar. «Die Zürcher Aids-Hilfe unterstützt vorbehaltlos die neueste Love Life-Kampagne des Bundesamts für Gesundheit, welche konsequent die Safer Sex-Regeln propagiert.» Über die Zukunft von Truvada zu spekulieren gehöre nicht zu den Aufgaben der Aids-Hilfe. Und Truvada hat seinen Preis: Die Monatsdosis kostet 1028.90 Franken. Ein Kondom gibts für ein paar Rappen im Supermarkt. 

Im vergangenen Jahr wurden in der Schweiz 575 HIV-Diagnosen bestätigt, ein leichter Rückgang von acht Prozent. Rund ein Drittel davon  stammten aus dem Kanton Zürich.   

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