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Zecken wie der Gemeine Holzbock sind bekannt als Krankheitsüberträger. Bild: Adobe Stock

Neue Gefahr aus dem Unterholz?

Von: Sacha Beuth

31. Januar 2023

Das 2017 in China entdeckte Alongshan-Virus (ALSV) steht im Verdacht, beim Menschen ähnliche Symptome auszulösen wie die Frühsommer-Meningoenzephalitis. Nun haben Forscher der Universität Zürich die Viren auch bei Zecken in der Schweiz nachweisen können – darunter in der Waid.

Neben Borreliose gehört die Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME genannt, zu den bedeutendsten durch Zecken übertragenen Infektionskrankheiten. Nun könnte eine weitere hinzustossen. Forscher der Uni Zürich konnten in Proben, die sie während zweieinhalb Jahren an verschiedenen Stellen gesammelt hatten, Alongshan-Viren (ALS-Viren) in Zecken feststellen. Diese Viren wurden erst 2017 in China entdeckt und stehen im Verdacht, beim Menschen die gleichen Symptome auszulösen wie FSME, vorab also Fieber und Kopfschmerzen.

Die Entdeckung der ALS-Viren in der Schweiz ist einer neuen Nachweissmethode zu verdanken. «Normalerweise sind bei solchen Methoden Vorkenntnisse nötig, das heisst, man sucht jeweils nach einem bestimmten Virus oder Stamm. Wir dagegen haben zuerst einmal das Material – in diesem Fall die Zecken – gesammelt und dann geschaut, was sich alles an Organismen finden lässt», erklärt Cornel Fraefel, Leiter des Virologischen Instituts der Universität Zürich. Dazu wurden von den gesammelten Zecken Nukleinsäuren isoliert und durchsequenziert. Die Sequenzen wurden dann per Computer mit einer Datenbank verglichen, in der Genomsequenzen von Tausenden von Organismen gespeichert sind. «Die Ergebnisse enthielten nicht nur die Sequenzen der Zecke selbst, sondern auch die vieler Parasiten, Bakterien und Viren, die die Zecke mit sich trägt. Wenig überraschend war der Nachweis von FSME-Virus-Genomen in den einheimischen Zecken. Andere Genome hingegen wurden in der Schweiz bisher noch nie nachgewiesen, so z.B. das Genom des ALS-Virus. Tatsächlich fanden wir ALS-Viren weit häufiger als FSME-Viren», so Fraefel.

Über ALSV ist bislang noch recht wenig bekannt. Sogar seine Herkunft ist unklar. «Zwar wurde es in China entdeckt. Doch neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass es praktisch gleichzeitig schon in Frankreich vorkam. Inzwischen konn­te es auch in Serbien, Russland und Deutschland nachgewiesen werden. Ebenso wenig weiss man, wie es verbreitet wird. «Es ist denkbar, dass ein Wildtier als Reservoir dient, von welchem das Virus mit Hilfe von Zecken verbreitet wird. Oder auch, dass die Verbreitung allein durch Zecken erfolgt.»

Selbst die wichtigste Frage – ob vom ALS-Virus überhaupt eine Gefahr für den Menschen ausgeht – lässt sich noch nicht beantworten. «Wir wissen bislang nur, dass Menschen, die sich mit dem Virus infiziert hatten, oft die gleichen Symptome zeigten, wie jene, die an FSME erkrankt waren. Damit ist aber nicht gesagt, dass die ALSV-Infektion die Ursache für diese Symptome sind. Dies muss erst noch überprüft werden.»

Diagnosetest entwickeln

Sollte das ALS-Virus tatsächlich die Gesundheit des Menschen beeinträchtigen, kann diese Gefahr möglicherweise durch eine Impfung in Zukunft eingedämmt werden, ähnlich wie dies beim nahe verwandten FSME-Virus schon jetzt möglich ist. Auf die leichte Schulter nehmen sollte man die Situation laut Fraefel trotzdem nicht. «Wir wissen einerseits, dass das ALS-Virus an vielen Stellen in der Schweiz vorkommt. Wir konnten es unter anderem – wenn auch nicht als Hotspot – mit der Waid sogar auf dem Gebiet der Stadt Zürich nachweisen. Zudem sind, nachdem wir unsere Entdeckung publiziert hatten, diverse Ärzte auf uns zugekommen und haben erzählt, dass sie Patienten haben, die FSME-Symptome zeigen, ohne dass dieses Virus beziehungsweise Antikörper bei ihnen nachgewiesen werden konnten.»

Das Team von Fraefel arbeitet nun an der Entwicklung eines Diagnosetests, um Antikörper gegen das ALS-Virus im Patientenblut nachweisen zu können. «Bei einer Infektion bilden sich nach einiger Zeit Antikörper. Frisch infizierte Personen können wir so zwar nicht eruieren, aber dafür all jene, die sich in der Vergangenheit angesteckt hatten. Die Daten können dann dazu beitragen, die epidemiologische Situation in der Schweiz zu bestimmen.»

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