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«Unter Druck sind die anderen»
Von: Sacha Beuth
Die ZSC Lions beginnen am 17.9. auswärts gegen Biel das Unternehmen Titelverteidigung. Sportchef Sven Leuenberger erklärt vor dem Saisonstart, was es dafür braucht und wo die Eislöwen aktuell stehen.
Aktuell befinden sich die Lions in der Vorbereitungsphase. Beim Red Bulls Salute Tournament in Zell am See (Ö) erreichte man vorletzten Samstag den Final gegen Växjö Lakers, wo man sich nach einer 3:0-Führung noch 3:4 geschlagen geben musste. Was bedeutet dies für die Standortbestimmung der Lions?
Sven Leuenberger: Zuerst muss ich anmerken, dass wir nicht mit einem Resultatsziel in dieses Turnier gegangen sind. Es ging vor allem darum, möglichst vielen Spielern, vor allem den jungen, Eiszeit zu verschaffen. Zugleich wurde Hrubec, unsere Nummer eins im Tor, sowie zwei, drei weitere Stammspieler geschont. Dennoch gelang uns im Halbfinal gegen Salzburg ein überzeugendes 3:0. Die Niederlage im Final ist in erster Linie auf individuelle Fehler zurückzuführen und beunruhigt mich nicht. Unsere Spielstruktur stimmt.
Abgesehen von Santtu Kinnunen konnten bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nur Eigengewächse der GCK Lions als Zuzüge vermeldet werden. Auf welchen Positionen braucht es noch dringend (erfahrene) Verstärkung?
Nirgends. Wir haben nun mit Kinnunen sieben erfahrene Verteidiger und auch der Sturm ist routiniert besetzt. Dahinter hat es Junge, von denen wir überzeugt sind, dass sie das Talent und den Willen mitbringen, um den nächsten Schritt zu machen. Wichtig ist, dass sie genügend Spielzeit bekommen. Durch die Mehrbelastung mit der Champions Hockey League wird dies wohl automatisch der Fall sein.
Mit Phil Baltisberger (zu SCL Tigers), Reto Schäppi (zu Kloten) und Simon Bodenmann (Karriereende) haben drei wichtige Spieler den Verein verlassen. Wie schwer wiegt deren Abgang?
Natürlich geht mit ihnen Erfahrung und Leadership verloren. Dafür bringen die Jungen Enthusiasmus und Unbekümmertheit mit. Abgesehen davon: Wenn wir unseren jungen Talenten keinen Platz machen, gehen sie woanders hin. Aber klar, die Entscheidungen fielen uns nicht immer leicht.
Der Start in die neue Meisterschaft erfolgt für die Lions am 17.9. auswärts gegen Biel. Wie schätzen Sie den Gegner ein?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwierig. Fakt ist, dass sich Biel im Umbruch befindet und durch den neuen Trainer Martin Filander und sehr viele neue Spieler ein neues Gesicht bekommen hat. Bislang hat Filander in der Vorbereitung auch noch nie das ganze Team auflaufen lassen. Ich denke, dass wir auf eine hungrige Mannschaft treffen werden, die sich für das Aus im letzten Playoff-Viertelfinal gegen uns revanchieren will.
Bereits am 5.9. beginnen die Löwen das Abenteuer Champions Hockey League mit dem Auswärtsspiel gegen Storhamar Hamar. Von aussen hat man den Eindruck, dass diese Liga – auch für die ZSC Lions – weiter an Bedeutung verliert, statt gewinnt. Täuscht dieser Eindruck?
Jein. Sportlich gesehen ist die Champions Hockey League für uns attraktiv. Qualität und Dichte der Teilnehmer sind auf einem hohen Niveau. Und unsere Spieler freuen sich immer sehr auf die Partien gegen ausländische Topteams. Leider ist die Begeisterung immer noch nicht auf die Zuschauer rübergesprungen, auch, weil die ganz grossen Stars fehlen. Im Gegensatz zur Champions League im Fussball spielen die bekanntesten Eishockeyspieler nun mal in der NHL. Was wiederum bedeutet: Finanziell gesehen ist die Champions Hockey League für uns noch ein defizitäres Geschäft. Vielleicht schaut es dieses Jahr unterm Strich aber etwas besser aus, da wir erstmals die CHL-Heimpartien in der Swiss Life Arena austragen können.
Coach Marc Crawford sagte vor dem Start in die letzte Saison, dass die Qualität und Breite in der Liga insgesamt zugenommen habe. Doch die Lions gewannen dann nicht nur die Regular Season klar, sondern setzten sich auch in den Playoffs – mit Ausnahme des Finals – souverän durch. Widerspricht dies nicht Crawfords Aussage?
Nein. Manchmal sieht es auf dem Papier eben schöner aus als in der Realität. Wir haben zwar gut in die Meisterschaft gefunden und haben über die gesamte Saison Konstanz bewiesen, aber es gab dennoch auch schwächere Momente. Ich erinnere nur daran, dass wir zweimal gegen Kloten verloren haben. Auch schönt die 3-Punkte-Regel manchmal die Tabelle. Zudem kam uns entgegen, dass wir keine Doppelbelastung wegen der Champions Hockey League hatten. Insgesamt ist es schon so, dass die Teams in der National League näher zusammengerückt sind. Man sieht das etwa daran, dass jede Mannschaft letzte Saison mindestens ein Top-Powerplay hatte.
Es fällt auf, dass die ZSC Lions in der vorangegangenen Saison immer dann Probleme bekamen, wenn sie auf kampfstarke Teams trafen. Hat es bei den Lions vielleicht zu viele «Stock-Tänzer» und zu wenig «Kufen-Boxer»?
Wenn man die nötigen technischen Fähigkeiten nicht mitbringt, dann nützt einem auch ein grösseres Körpervolumen beziehungsweise eine stärkere Physis nichts. Wichtig ist, im entscheidenden Moment unter Druck das Richtige zu tun. Gefragt ist also mentale Härte, dass man auf die Zähne beissen kann und nicht zu bequem wird. Letzteres lässt sich gut verhindern, wenn die jungen, neuen Spieler von hinten Druck auf die erfahrenen, etablierten Spieler machen.
Welche Teams sind diese Saison aus Ihrer Sicht die stärksten Konkurrenten?
Einerseits Lausanne, das schon seit Jahren ein gutes Team hat und uns im Final extrem gefordert hat. Dann ist Zug wieder ein Anwärter auf den Titel, wenn es nicht wieder so viel Verletzungspech hat wie letztes Jahr. Genf-Servette wird – da keine Champions-Hockey-League-Belastung – ein Wörtchen mitreden. Und Bern, Davos und Biel ist auch einiges zuzutrauen.
Und wie werden die ZSC Lions die Saison abschliessen?
Die Vorgaben sind an sich die gleichen wie vor der letzten Saison: einen Platz in den Top 4 nach der regulären Saison und in der Champions Hockey League die Gruppenphase überstehen. Natürlich wollen wir den Titel als Schweizer Meister verteidigen. Dabei kommt uns entgegen, dass durch den Titelgewinn der Druck geringer ist als letztes Jahr. Unter Druck sind nun die anderen. Wichtig ist, dass wir möglichst lange frisch bleiben, was wir einerseits mit dem Rotationsprinzip und andererseits mit mehr Raum für Erholung erreichen wollen.
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