mobile Navigation

News

Sozialer Vordenker: Reformator Huldrych Zwingli (1484 bis 1531). Bild: PD

"Zwingli hätte das nicht gefallen"

Von: Jan Strobel

01. Oktober 2013

Am Sonntag beginnt in Zürich der internationale Reformationskongress. Aber sind die Ideale der Reformation eigentlich noch modern?

Huldrych Zwingli – wenn heute bei vielen Zürchern von diesem Mann die Rede ist, dann meistens in Form eines unschmeichelhaft gemeinten Adjektivs. «Zwinglianisch» steht in solchen Momenten für Lustfeindlichkeit, Prüderie, Freudlosigkeit –kurz, Zwingli ist der grosse Spassverderber, mit ihm ist schlicht keine Party zu machen. 2011 rief Stadtrat Daniel Leupi, damals noch Polizeivorsteher, anlässlich der Gay Pride der versammelten Menge zu: «Dank der Pride ist Zürich deutlich weniger zwinglianisch.»

Zwingli hat es also nicht gerade einfach in der Zwingli-Stadt, umso mehr, als heute mehr Katholiken und Konfessionslose als Reformierte in Zürich leben. Wie aktuell Zwinglis Ideale und die seiner Mitreformatoren wie Luther eigentlich noch sind, das möchten Theologen am internationalen Reformationskongress diskutieren, der diesen Sonntagnachmittag mit einem öffentlichen Abendmahlsgottesdienst im Grossmünster eröffnet wird.

Der Anlass bildet die Vorbereitung für das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation, das 2017 ansteht. «Der Kongress», meint Michel Müller, Kirchenratspräsident der evangelisch -reformierten Landeskirche des Kantons Zürich, «zeigt ja bereits, wie zeitlos Zwingli und die Reformation sind», sie hätten die Stadt zu dem gemacht, was sie heute sei, und das nicht nur, wenns ums Stadtbild gehe. «Die zwinglianische Tradition hat eine starke demokratische und humanistische Ausrichtung. Zwingli ist der Mitbegründer unseres heutigen Sozialstaats. Er stand für eine Sozial- und Wirtschaftspolitik ein, welche die Ungleichheiten in der Gesellschaft aufheben wollte. Und er kämpfte notabene für die Religions- und Meinungsfreiheit.» Alles Werte, ist Müller überzeugt, die heute drängender gar nicht sein könnten.

Der spassbefreite Zwingli gehört für Müller zumindest zum Teil ins Reich der Klischees. «Trotz seiner Strenge: Zwingli hatte durchaus Humor, musizierte gerne. Und er war auch Genüssen keineswegs abgeneigt. Das Zürcher «Wurstessen» von 1522, mit dem er und seine Gefolgsleute sich provokativ gegen das Fasten stellten, ist ein Beleg dafür.» Dennoch: Die Frage, wie nachhaltig wir eigentlich leben, die Reforma­tion hat sie aufs Tapet gebracht, und sie müsse, sagt Müller, in Zeiten des kurzfristigen Vergnügens aufs Neue gestellt werden. «Ungezügelter Sex- und Drogenkonsum, das krasse Genuss- und Gewinnstreben auf Kosten der Allgemeinheit; was heute zum Teil in Zürich geschieht, Zwingli hätte das nicht gefallen.» Immerhin: Ganz modern hat sich Huldrych Zwingli auf Facebook gleich mehrere Profile zugelegt.

Im Rahmen des internationalen Reformationskongresses stellt sich das reformierte Appenzell Ausserrhoden in einem Kulturabend mit einem musikalisch-poetischen Streifzug vor. Dienstag, 8. Oktober, um 20 Uhr in der Kirche St. Peter. Weitere Infos zu den öffentlichen Veranstaltungen des Reformationskongresses unter: www.zh.ref.ch 

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir 1 ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare