Porträt
Matthias Ackeret - der Mann, der Mauern einrennt
Von: Jan Strobel
Matthias Ackeret (60) gehört zu den bekanntesten und umtriebigsten Köpfen der Schweizer Kommunikations- und Medienbranche. Sein Magazin «persönlich» feiert aktuell das 60-Jahr-Jubiläum. Den «rennenden Medienmann» treiben aber noch ganz andere Projekte um.
Eben ist Matthias Ackeret aus Herrliberg zurückgekehrt, wo er wieder eine Folge von Tele Blocher – seine 877. – mit dem alt Bundesrat gedreht hat. Jetzt sitzt er in der Café Bar Plüsch in Zürich-Wiedikon und ist mit seinem Tag noch nicht ganz zufrieden, das verrät sein Blick auf die Schrittzähler-App auf dem Handy. «Seit dem Ausbruch von Corona lief ich nie unter 10 000 Schritte pro Tag. Das ist fast schon zur Manie geworden. Im Schnitt sind es sogar an die 13 000», sagt er. «Wenn ich etwas mache, dann ziehe ich es immer durch, wie bei einem Marathonlauf.»
Das Bild des Marathonläufers ist ein Lebensbild, das auf Matthias Ackeret, den manche Freunde auch schon als den «berühmtesten Wanderer von Zürich» bezeichneten, besonders zutrifft. Immerhin schrieb er, der rennende Medienmann, vor fast zwanzig Jahren bereits ein Buch über den New York Marathon und über jenen gefürchteten Moment ab Kilometer 30, wenn der «Hammermann» wie ein quälender Begleiter neben einem her schreitet, die Beine schwerer werden, der Kopf leerer wird. Der «Hammermann» trägt eine Ahnung des Scheiterns mit sich, er stellt den Läufern seine Unbarmherzigkeit entgegen wie Dämme.
Aber Dämme und Mauern können einen wie Matthias Ackeret nicht beeindrucken. Das zeigt schon ein Bild aus dem Jahr 1996. Ackeret, damals der bekannteste Videojournalist bei Tele Züri, posiert auf der Chinesischen Mauer. Sein T-Shirt trägt den Slogan: «Die Mauer muss weg!» Es war der Ruf während der deutschen Wendezeit gewesen, die zum Fall der Berliner Mauer führte. Und natürlich war auch Matthias Ackeret in jenen Umbruchtagen vor Ort.
Fasziniert von der Macht
Wäre dieser Hammermann eine reale Persönlichkeit, Matthias Ackeret hätte ihn selbstredend interviewt. Ihn faszinieren die Macht und die Mächtigen, die grossen Gestalter, die unkonventionellen Köpfe, die Mauern einreissen. Er hat sie im Lauf seiner Medienkarriere fast alle getroffen oder vor seine Kameralinse gestellt: Michail Gorbatschow, Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Sepp Blatter, Pfarrer Ernst Sieber, Harald Naegeli oder Ai Weiwei – und natürlich Christoph Blocher.
Seit 2002 ist Matthias Ackeret Chefredaktor, seit 2014 auch der Verleger von «persönlich», des Schweizer Magazins für Werbung und Kommunikation – oder, wie es in der Online-Ausgabe «persoenlich.com» im Titelkopf heisst: des Magazins «für Entscheider und Meinungsführerinnen». Aktuell feiert die Publikation, die wichtigste Plattform für die hiesige Kommunikations- und Werbebranche, ihr 60-Jahr-Jubiläum.
Als Matthias Ackeret damals den Posten des Chefredaktors annahm, ging dieser Entscheidung ein «Hammermann»-Moment voraus. Seine Stelle als stellvertretender Programmleiter bei Tele Züri hatte er aufgegeben. «Ich spürte, dass meine Zeit bei Tele Züri vorbei war, es wurde zunehmend zu einem Verschleissjob», sagt er. Was ihn, die lokale Zürcher TV-Berühmtheit, allerdings umtrieb, war eine Angst, die symptomatisch ist für jene, die einmal im Scheinwerferlicht standen – die Angst, in Vergessenheit zu geraten.
Es war eines Abends im Zürcher Kaufleuten, als der damalige «persönlich»-Chefredaktor und Co-Verleger Oliver Prange auf den 39-jährigen Ackeret zukam. Prange war gerade dabei, das Magazin gründlich umzukrempeln, neu auszurichten, sowohl grafisch als auch konzeptuell. «persönlich» sollte das wichtigste Branchenmedium in der Schweiz werden. Und bereits im Mai 2000 ging das Magazin – damals ein pionierhafter Schritt – mit einem täglichen News-Portal ins Internet. Dazu wurde ein Newsletter aufgeschaltet.
Einer wie Matthias Ackeret passte genau zu dieser neuen Aufbruchstimmung. Und schliesslich lieferte gerade die eitle Welt der Kommunikations- und Werbebranche genügend Scheinwerferlicht. Oliver Prange bot Matthias Ackeret im Kaufleuten den Posten des Co-Chefredaktors an. Und liess nicht locker, als sich sein Wunschkandidat etwas divenhaft zierte. Der spürte zunehmend die Dynamik, den «Drive», der in dieser neuen Herausforderung lag. «Und ich hatte schliesslich immer eine Affinität zur Werbeindustrie», meint Matthias Ackeret. «Sie ist originell, sie überzeugt mit Kreativität, sie hat einen unglaublichen Sex-Appeal. Das hat mich angezogen.» Und immerhin: Zu Beginn der 2000er-Jahre herrschte in der Werbebranche noch Goldgräberstimmung. Matthias Ackeret nahm das Angebot an. Später wird er sagen: «Ich bin wie die Jungfrau zum Kind zu diesem Job gekommen.»
In Rapperswil, wo die Redaktion in dieser Zeit beheimatet war, traf der neue Co-Chefredaktor auf «persönlich»-Verleger und Herausgeber Bruno Hug, eine Persönlichkeit genau nach Matthias Ackerets Zuschnitt. Bruno Hug hatte das kleine, von Hand vervielfältigte Werber-Klatschblatt 1986 übernommen und es zu einer Fachzeitschrift für Werbung und Medien gemausert. Der umtriebige Doyen und Medienunternehmer war allerdings nicht nur Verleger des Magazins «persönlich», sondern gleichzeitig Chefredaktor der «Obersee Nachrichten», lenkte die Geschicke des SC Rapperswil-Jona Lakers, gründete das Gastrounternehmen Dieci und legte sich regelmässig und mit Verve auch mit der Rapperswiler Stadtpolitik und den Behörden an. «Bruno Hug galt für mich in Rapperswil als Schawinski und Blocher in Personalunion», schmunzelt Matthias Ackeret.
Ackeret verschrieb sich seiner neuen Aufgabe voll und ganz. Oder anders gesagt: Er zog es wieder einmal durch. Das Online-Magazin «persoenlich.com» entwickelte sich in den folgenden Jahren zum grössten Internetportal der Schweizer Kommunikationswirtschaft und zur täglichen Lektüre von Journalisten und Werbern.
Als 2014 die Marketing- und Dienstleistungsgruppe Publigroupe an die Swisscom verkauft und aufgelöst wurde, kaufte Matthias Ackeret «persönlich» für über eine Million Franken und überwies dafür sein gesamtes Vermögen. Unterstützt wurde er bei diesem Schritt von seinem «Uraltfreund» Manfred Klemann, selbst Verleger, Buchautor und Unternehmer. Die beiden hatten sich einst in den 1980er-Jahren beim Schaffhauser Radio Munot kennengelernt und «knallharten Journalismus» zelebriert, heute ist Klemann Verwaltungsratspräsident des «persönlich»-Verlags. Mit dem Kauf war Matthias Ackeret selbst Verleger und trat damit in die Fussstapfen von Bruno Hug und Oliver Prange. Den Geschäftssitz wechselte er von Rapperswil nach Zürich-Wiedikon.
Kämpferische Vorfreude
Natürlich wäre Ackeret nicht Ackeret, wenn er sich nicht noch anderen Projekten widmete. Er schrieb zahlreiche Romane und auch den allerersten Zürcher Szene-Guide in Klemanns Verlag. Bereits 2007 rief er die wöchentliche Sendung «TeleBlocher» ins Leben. Und er mischte und mischt genüsslich provokant im Stadtzürcher Politbetrieb mit, bringt sozusagen den Sex-Appeal der Werbe- und Medienbranche aufs mitunter schnöde, ideologisch imprägnierte Parkett.
Zuletzt führte er 2021 mit Erfolg den Widerstand gegen den Abriss des Pfauen-Saals an, mit Slogans wie «Dürrenmatt statt Odermatt» in Anspielung auf Hochbauvorsteher André Odermatt. Für manche Linke war dieser Spruch schlicht «infam», Ackeret hingegen lacht heute noch darüber. «Es ist immer noch ein guter Spruch. Wir hatten damals einfach die Emotionen und die Vernunft auf unserer Seite.»
Bereits könnte sich ein neues Spielfeld für Matthias Ackeret auftun. Angetan hat es ihm eine Motion der AL-Fraktion im Gemeinderat, welche Werbung im öffentlichen Raum praktisch verbieten möchte. «Das wäre ein Super-Gau für die Werbebranche – eine regelrechte Kriegserklärung», sagt Matthias Ackeret. Es blitzt in seinen Worten eine kämpferische Vorfreude auf – ein bisschen wie kurz vor dem Startschuss eines Marathons.
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