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In Finnland sind offenbar nicht nur die Menschen, sondern auch die Rentiere glücklich. Bild: Shutterstock

Finnlands Weg zu Wohlbefinden

Von: Sacha Beuth

09. Februar 2021

NORDLICHT Die glücklichsten Menschen der Welt leben Umfragen zufolge in Finnland. Zurückzuführen ist dies laut den Landeskennern Patrick Lohri (39) und Birgit Ohlin (42) von Kontiki Reisen vorab auf die vielfältige Natur und die soziale Alltagsstruktur, durch die man selbst dunkle Wintertage in positivem Licht sieht.

In den jährlichen World Happiness Reports nimmt Finnland immer wieder Platz 1 als «Glücklichstes Land der Welt» ein. Was macht die Finnen so glücklich?

Patrick Lohri: Da gibt es mehrere Komponenten. Einerseits erlaubt die Alltagsstruktur ein ausgiebigeres Familienleben. Mittagstische in Schulen sind schon lange Usus und die Krippenplätze sind im Verhältnis zur Schweiz günstiger. Die Schule dauert meist nur bis 15, 16 Uhr, wobei die letzte Stunde in der Regel eine Aufgabenstunde ist. Zugleich wird zwar effizient, aber weniger lang gearbeitet als in der Schweiz und Teilzeitarbeit ist ebenfalls eher möglich als bei uns. Das führt dazu, dass die Familie unter der Woche bereits am späten Nachmittag zusammen sein und gemeinsam etwas unternehmen kann. Hinzukommt der viele Platz, die weitläufige Natur – Finnland ist rund 7-mal grösser als die Schweiz, hat aber weniger Einwohner –, der allgemeine Wohlstand und die Sicherheit im Land. Dies führt zu einer entspannteren und offenbar glücklicheren Lebensweise.

Wohlstand und Sicherheit sind auch in der Schweiz hoch. Sind die Finnen in den anderen Parametern des Reports – wie Vertrauen, soziale Unterstützung, Offenheit – tatsächlich so viel besser als wir Schweizer?

Birgit Ohlin: Die Schweiz ist im Ranking ja ebenfalls unter den Top 10 zu finden. Zudem ist Glück immer etwas Subjektives. Allerdings glaube ich schon, dass das Vertrauen untereinander und der soziale Zusammenhalt in Finnland stärker verankert ist, auch weil der Staat das Soziale mehr fördert.
Lohri: Als halber Finne finde ich, dass die Finnen nicht offener sind als die Schweizer. Aber man nimmt sich dort weniger ernst und kann eher mal über sich selber lachen. Dazu gehört auch ein spezieller Humor, der etwa in Events wie der Frauen-Trag-WM, der Handy-Weitwurf-Meisterschaft oder der Luftgitarren-WM ausgelebt wird.Last but not least zeichnet den Finnen generell ein hohes Vertrauen in seine Regierung aus. Der Schweizer ist da kritischer und darum vielleicht auch unzufriedener.

Sind die Finnen auch materiell mit weniger zufrieden als wir?

Ohlin: Materielle Zufriedenheit wird relativ, also im Vergleich zu anderen bewertet.
Lohri: Und die Finnen verspüren weniger den Drang zu vergleichen. In Finnland sind Geld und andere materielle Dinge zwar nicht unwichtig, aber anderes geniesst höhere Priorität.

Die Natur wurde bereits als Faktor erwähnt. Wie stark ist deren Einfluss auf das Glücksbefinden der Finnen?

Lohri: Sie ist hier wohl der wichtigste Faktor. Der Finne verbringt praktisch jede freie Minute in einem der endlosen Wälder oder an einem Gewässer – und das in der Regel bei jedem Wetter. Die Natur Finnlands hilft einem, zu entschleunigen. Das merke ich jedes Mal, wenn ich dort in den Ferien bin und dann wesentlich entspannter in die Schweiz zurückkehre.

Im Widerspruch zum Glücksbefinden steht der Umstand, dass Finnland das Land mit der höchsten Selbstmordrate ist. Wie ist dies zu erklären?

Ohlin: Das war vor allem in den 1970ern und 1980ern so, seither sind die Zahlen stark gesunken und die Raten in den nordischen Ländern allgemein sind nur unwesentlich höher als die des europäischen Durchschnitts. Psychische Erkrankungen sind auch in Ländern mit hohem Wohlstand leider durchaus verbreitet. Abgesehen davon bedeutet eine niedrige Selbstmordrate im Umkehrschluss nicht automatisch, dass man allgemein glücklicher ist oder sein Leben als glücklicher empfindet.

Aber die langen, dunklen und kalten Winter sprechen jetzt nicht wirklich für ein «glückliches Land», wenn man bedenkt, dass sich die Mehrzahl der Menschen als Traumdestination eher eine tropische Insel wünschen.

Lohri: Ich kenne Leute in meinem Umfeld, denen die Dunkelheit zu schaffen macht. Andererseits sorgen die Polarnächte mit ihren Nordlichtern für eine wahnsinnig schöne Stimmung.
Ohlin: Die Dunkelheit lässt einen in die Langsamkeit eintauchen und das kann auch helfen, einander wieder näherzukommen. Zudem sind es im hohen Norden Finnlands nur wenige Tage, an denen es wirklich die ganze Zeit dunkel ist.

Was müssen wir Schweizer tun, damit wir genauso glücklich werden wie die Finnen?

Ohlin: Die Natur mehr nutzen und nicht leben, um zu arbeiten, sondern arbeiten, um zu leben.
Lohri: Das Leben lockerer angehen und sich mehr Zeit nehmen für Dinge oder Personen, die einem wirklich etwas bedeuten und einen glücklich machen.

Persönlicher Glücksmoment

Zu unseren Geschäftspartnern gehören auch diverse Husky-Halter in Finnland, die Schlittenhunde-Ausflüge anbieten und wegen der Coronakrise enorm leiden. Um sicherzustellen, dass die Hunde auch weiterhin angemessen versorgt werden können, haben wir die Aktion «(K)ein Hundeleben für Huskys» lanciert. Unser Ziel war, mindestens 50 000 Franken zu sammeln. Das haben wir diese Woche geschafft und das ist mein persönlicher Glücksmoment.
Patrick Lohri, Kontiki Reisen

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