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Reportage

Nirgends öffnet sich der Horizont so weit wie auf der Zuschauerterrasse. Die Maschine im Bild wird nach London fliegen. Bild: JS

"Bye-bye"-Momente und andere Träume

Von: Jan Strobel

21. Oktober 2014

Kürzlich verzeichnete die Zuschauerterrasse beim Dock B den millionsten Besucher. Die 7200 Quadratmeter gehören zu den beliebtesten Ausflugszielen der Zürcher. Wir machten deshalb einen Besuch.

Die Swiss-Maschine donnert über Piste 34 und hebt schliesslich mit einem gewaltigen Rauschen ab in den klaren Herbsthimmel über Zürich. Es ist ein Bild, das Hans-Peter Fueter in Verzückung versetzt. In das Donnern und Rauschen hinein ruft er der Maschine seine Liebe in Wortfetzen hinterher. «Es ist ein 20er! Nein, ein 40er! Ein Vierstrahler!» Er setzt sein Fernglas ab und sagt: «Nach New York sind es jetzt acht Stunden, bye-bye Zürich.» Die anderen Besucher auf der Zuschauerterrasse B prüfen die Displays ihrer Kameras, streichen sich die vom Wind zerzausten Haare zurecht. Auch sie hatten gerade diesen «Bye-bye»-Moment, als der Flieger abhob und sie auf den Auslöser drückten. Sie träumten sich in die Ferne, nach Johannesburg vielleicht (8416 Kilometer), nach Tel Aviv  (2782 Kilometer) oder nach Palma de Mallorca. Ein Airbus A321 wird nämlich gerade für den Flug zu den Balearen abgefertigt. Die Passagiere steigen mit sommerlichen Mienen zu, beobachtet von den drei älteren Damen auf der Terrasse, die sich extra für diesen Ausflug ihre Trachten angezogen haben. «In einer Stunde und 23 Minuten werden sie in Palma landen», sagt die eine, und ihre Freundinnen nicken zufrieden und falten ihre Hände über der Trachtenschürze. Bilder steigen auf vom Meer, von den Wellen, von glitzernden Sandkörnern auf der Haut, von gelben und roten und grünen Sonnenschirmen. Der Wind auf der Zuschauerterrasse passt ganz gut dazu, wenn man die Augen schliesst.

Überhaupt ist die weitläufige Terrasse ein Ort des Träumens, des Fernwehs, er löst ein fast schon nostalgisches Gefühl aus in einer Welt, die immer kleiner geworden ist, in der jeder noch so abgeschiedene Flecken über Google Maps am Bildschirm betrachtet und abgefahren werden kann. Und natürlich beweist dieser Ort immer wieder aufs Neue, was für ein Wunderwerk so ein Flugzeug eigentlich ist und wie wenig wir darüber wissen. Zumindest daran hat sich in den letzten hundert Jahren wenig geändert.

Die Faszination zeigt sich auch in Zahlen: Anfang Oktober konnte der Flughafen Zürich den millionsten Besucher auf der Zuschauerterrasse B begrüssen. 2011 wurde sie eröffnet und gehört neben dem Zoo wohl zu den beliebtesten Ausflugszielen der Zürcher. Nirgends scheint sich der Horizont so weit zu öffnen wie auf diesen 7200 luftigen Quadratmetern  rund um das Dock B. Und an keinem Ausflugsziel ist es gleichzeitig so laut wie hier. Gerade rollt eine Maschine der Etihad Airways aus Abu Dhabi dröhnend über das Flugfeld. Gespräche werden jetzt schwierig.

Andere haben bereits wieder etwas Spektakuläres entdeckt. Es ist ein Airbus der Edelweiss Air, der sich langsam Richtung Piste 28 bewegt. Wohin er fliegt, kann auch Flughafenfan Hans-Peter Fueter nicht sagen. «Las Vegas könnte sein. Oder warum nicht Phuket?», sagt er und lacht. Jemand tippt auf Marrakesch. Weit hinten bei den Hangars, etwas abseits vom Betrieb, glitzert in der Nachmittagssonne eine Super Constellation aus den 50er-Jahren. Erhaben und elegant steht sie vor dem Alpenpanorama, eine Königin. Fliegen war damals ein echter Luxus, die grosse Masse musste am Boden bleiben – und träumen.  

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