eynat
Was ist das wieder für ein Krach? Ein ätzender Ton hat mich geweckt. Wecker? Sirenenalarm? Ich muss kurz meinen Kopf justieren. Alarm. Was für ein Glück schlafe ich im Schutzbunker. Merkt man von innen aber kaum. Ich schliesse die Metalltür beim Fenster und gehe zurück ins Bett. Hats schon «Bumm» gemacht?, frage ich mich. Das würde bedeuten, das Abwehrsystem Iron Dome hat die feindliche «Post» abgefangen. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und schlafe weiter. Es ist mitten in der Nacht! Die Tage sind per se schon intensiv, die Anspannung jeglicher Art unumgänglich. 180 ballistische Raketen aus dem Iran, und allein die Lage hier im Blick zu behalten, verlangen einiges ab. Es sind die Tage nach dem 7. Oktober. Der Tag, der vor einem Jahr hier im Land und in vielen Köpfen in und ausserhalb Israels alles verändert hat. Es sind noch immer höchst heikle Tage. Auch aufgrund der aktuellen jüdischen Feiertage. Das Risiko für Anschläge ist längst von gross auf noch grösser gestiegen. Heute Abend beginnt Simchat Tora. Der Abend, an dem sich vor einem Jahr (nach dem jüdischen Kalender) tausende Menschen am Supernova-Festival in Re’im zusammenfinden, um das Leben zu feiern. Bis die Hamas am nächsten Morgen in den Süden Israels stürmt, so auch auf das Festgelände, und Menschen bestialisch massakriert oder als Geiseln entführt. Bereits am 7. Oktober, als ich für die ARD an die Erinnerungszeremonie in den Süden gefahren bin, schiesst die Hamas, einfallslos, zur selben Zeit wie vor einem Jahr Raketen in Richtung Israel. Heftiger Artilleriebeschuss ist zu hören. Noch eine Geräuschkulisse, die zum neuen «Normal» wurde, mir aber nicht mehr durch Mark und Bein geht. Was dürfen wir also morgen erwarten? Jetzt, wo Hisbollah-Führer Nasrallah und Sinwar, der Anführer der Hamas, gemeinsam in der Hölle schmoren? Israels Angriff und Irans Gegenangriff Nummer drei stehen ja auch noch an. Nicht mehr und nicht weniger! Chag Sameach – frohes Fest!
Die Zürcher Journalistin Eynat Bollag (35) lebt in Tel Aviv und arbeitet unter anderem für ARD und ZDF.