Hartmuth Attenhofer, Zürich,
ist pensionierter Statthalter. Bild: PD
Heute vor 34 Jahren, am 27. November 1990, kam es in Lausanne zu einem politischen Knall – und die damalige Zürcher Stadträtin Emilie Lieberherr atmete auf. Was war passiert? Das Bundesgericht hatte an diesem Tag einstimmig entschieden, dass auch in Appenzell Innerrhoden die Frauen das kantonale Stimm- und Wahlrecht erhalten. Und zwar per sofort! Alle anderen Schweizerinnen hatten es ja längst; die Zürcherinnen schon seit 20 Jahren. Die letzte Hürde im langen Kampf für das Frauenstimmrecht, den Emilie Lieberherr mit anführte, war geschafft!
Zurück nach Appenzell: Die Innerrhoder Mannen hatten sich 1989 an der Urne und im April 1990 in der Landsgemeinde geweigert, ihren Frauen das kantonale Stimm- und Wahlrecht zu geben. Das rief die Innerrhoderin Theresia Rohner auf den Plan. Sie trommelte 100 Innerrhoder Frauen und Männer zusammen, die gemeinsam in den Kampf gingen und bis ans Bundesgericht zogen. Damit sind die Innerrhoder Frauen die einzigen Schweizerinnen, die nicht per Volksabstimmung zum Stimmrecht gelangten, sondern es vom Bundesgericht zugeteilt erhielten.
Auch auf Bundesebene kamen die Schweizer Frauen auf eine historisch und politisch besondere Art zu ihrem Wahl- und Stimmrecht. Sie sindnämlich weltweit die einzigen,die es in einem demokratischenProzess erhielten. Ihr langer zäher Kampf – der übrigens auch von vielen Männern unterstützt wurde – warbesonders schwierig. Denn sie selber durften ja mangels eigenem Stimmrecht nicht mitbestimmen. Sie mussten «ohne Waffen», also ohne Stimmzettel, ihr demokratisches Recht erkämpfen.
Alle anderen Länder, die das Frauenstimmrecht kennen – teilweise schon länger als die Schweiz –, erhieltenes erst nach von Frauen angeführten Strassenkämpfen von der Obrigkeit, von einer Regierung odereinem Diktator, gnädig zugeteilt.Das schweizerische Frauenstimmrecht ist somit eine weltweiteExklusivität, weil es vom Volk erteilt wurde.
Hartmuth Attenhofer, Zürich, ist pensionierter Statthalter