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Kultur

Huldrych Zwingli kam mit Visionen nach Zürich und starb dafür auf dem Schlachtfeld von Kappel. Schauspieler Max Simonischek spielt den Reformator in Stefan Haupts Film «Zwingli». Bild: Ascot Elite

Die Geschichte einer Zürcher Revolution

08. Januar 2019

Vor 500 Jahren hielt Huldrych Zwingli im Grossmünster seine Antrittspredigt. Es war der Beginn eines Umbruchs. Jetzt ist der Reformator wiederauferstanden, und zwar im aufwendig produzierten Historienfilm «Zwingli» von Regisseur Stefan Haupt, der am 17. Januar in die Zürcher Kinos kommt.

An einem Wintertag des Jahres 1518 holpert ein schlichter Holzwagen Richtung Zürich, darin sitzt ein attraktiver Mann, in dessen Herz und Seele allerdings bereits das Feuer des Zweifels lodert. Es ist der Leutpriester und Prediger Huldrych Zwingli, der dem Ruf ans Zürcher Grossmünster folgt. Hier, denkt er, kann er auf Gleichgesinnte hoffen. Denn dieser Mann hat bereits zu viel gesehen, als dass er noch an das alte System der Kirche glauben könnte. Wie das fromme Volk von einer skrupellosen und von Gier zerfressenen geistlichen Elite ausgenommen wurde; oder wie junge Schweizer Söldner ihr Leben auf dem Schlachtfeld von Marignano opferten, in den Tod getrieben auch von einem mächtigen Kardinal. Gegen dieses Söldnerwesen hatte Zwingli öffentlich Stellung bezogen, was der Zürcher Regierung durchaus zusagte. So ein feuriger Leutpriester würde der Limmatstadt, so ihre Annahme, gut zu Gesicht stehen. Am 1. Januar 1519 hielt der 35-jährige Zwingli seine Antrittspredigt im Grossmünster – und es dauerte nicht lange, kaum waren die ersten Worte des Evangeliums auf Deutsch gesprochen, bis er die Fundamente des bisherigen Ordnung ins Wanken und schliesslich zum Einsturz brachte. 

Der Liebende und Zornige
Fast genau 500 Jahre später taucht nun der Reformator wieder in der Stadt Zürich auf, die mittlerweile mehrheitlich konfessionslos oder katholisch ist. Er tut dies auf der Kinoleinwand in Stefan Haupts neustem Film «Zwingli», der am 17. Januar in den Kinos startet. Er ist wohl einer der aufwendigsten Historienfilme, welche die Filmlandschaft hierzulande bisher gesehen hat. Bereits wird «Zwingli» als das Schweizer Filmereignis des Jahres 2019 gehandelt. Zweifellos stellt «Zwingli» den Höhepunkt des Reformationsjubiläums dar.

Tatsächlich ist es zuerst einmal beeindruckend, wie das Zürich des frühen 16. Jahrhunderts vor den Augen der Zuschauer durch die detailgetreue, computeranimierte Rekonstruktion wieder zum Leben erweckt wird. Die beiden mächtigen Türme des Grossmünsters spiegeln sich, noch mit spitzen Dächern, in der Limmat. Auf dem Fluss herrscht reger Handelsverkehr. Und im Wellenbergturm darben die Gefangenen vor sich hin. Es ist eine Meisterleistung der Animationstechnik. Viele Szenen wurden dann aber im pittoresken Stein am Rhein gedreht, wo die Kulisse der frühen Neuzeit noch unberührter erhalten geblieben ist. 

Verkörpert wird Zwingli von Schauspieler Max Simonischek (siehe Interview unten), der besonders in Deutschland Film-, Theater-, und TV-Erfolge feiert. Dort wurde der 36-Jährige unlängst als «grösster Frauenschwarm im deutschen TV» bezeichnet. 

Simonischek erweist sich in Stefan Haupts Film als Idealbesetzung. Er schafft es, der Person des Reformators einen gewinnenden Charakter zu verleihen und die verschiedenen Schichten seines Charakters herauszustreichen. Mal ist Zwingli der einfühlsam Liebende, dann wieder der Zweifelnde, später auch der zornige Revolutionär, der zwar für mehr Menschlichkeit und Volksnähe kämpft, dabei aber, Schicksal fast einer jeden Revolution, die Menschlichkeit selbst aus dem Auge verliert und sie seiner Vision opfert. 

Auch diese Schattenseiten schwingen im Film mit. Als Felix Manz, der Mitbegründer der Zürcher Täuferbewegung und einst Weggefährte Zwinglis, durch Ertränken in der Limmat hingerichtet wird, wohnt Zwingli dem Schauspiel zusammen mit seiner Frau Anna Reinhart (gespielt von Sara Sophia Meyer) mit stoischer Miene bei. Die reformatorische Revolution beginnt schliesslich auch, die Liebe an den Rand zu drängen. Auf die Mahnungen seiner Frau hört Zwingli da längst nicht mehr. Am Ende, als Zwingli in die Schlacht gegen die katholischen Orte zieht, lässt er trotz des Widerstands seiner Anna deren Sohn Gerold aus der früheren Ehe in den Krieg ziehen. Zwingli und Gerold werden von der Schlacht bei Kappel nie mehr zurückkehren. 

Das Zürcher Leben und Wirken Zwinglis in einen Film zu verpacken, gleicht einer fast unlösbaren dramaturgischen Herausforderung. Zu dicht und zu komplex sind die Ereignisse. Regisseur Stefan Haupt versucht dennoch, die wichtigsten Stationen chronologisch, manchmal mit etwas zu grossen Sprüngen, abzuhandeln: die ersten Predigten im Grossmünster, die Pestepidemie und die Beziehung zu Anna Reinhart, die Bibelübersetzung, die Täuferbewegung, dann das berühmte Wurstessen, der Bildersturm oder der Zusammenstoss mit dem Abgeordneten des Bischofs von Konstanz an der Zürcher Disputation. Das zieht den Film natürlich in die Länge, und nicht immer bleibt der Zuschauer am Ball. Dennoch: «Zwingli» setzt dem Reformator ein üppiges, also gar nicht zwinglianisches, Filmdenkmal.

Zwinglis Ehefrau Anna Reinhart (Sara Sophia Meyer) versucht zu Beginn, den revolutionären Eifer ihres Mannes zu bremsen.Bilder: Ascot Elite

«Zwingli war ein Vorbote der Demokratie»

4 Fragen an Max Simonischek. Der 36-jährige Schauspieler verkörpert in «Zwingli» den Reformator. Er sieht in seiner Figur einen Revoluzzer, dessen Visionen unsere Gesellschaft bis heute prägen.

Sie leben in Ihrer Geburtsstadt Berlin und sind unter anderem in Hamburg aufgewachsen. War Ihnen Zwingli überhaupt ein Begriff?
Max Simonischek: Durch meine Schweizer Mutter, mit der ich übrigens im Film zusammen spiele, war mir die Figur Zwinglis natürlich nicht unbekannt. In Deutschland allerdings ist er weniger ein Begriff. Dort dreht sich die kirchliche und historische Diskussion um die Person und das Wirken Martin Luthers, wenn es um die Zeit der Reformation geht. Auch ich selber bin also mit Luther aufgewachsen. 

Was fasziniert Sie an der Person Zwinglis?
Als ich damit begann, mich intensiver mit Zwingli auseinanderzusetzen, sah ich Züge in ihm, mit denen ich mich identifizieren konnte. Was er gesellschaftspolitisch erreicht hat, das ist ja heute noch relevant. Ich denke da insbesondere an das Eherecht oder die sozialen Absicherungen. Er war zuerst einmal ein Revolutionär, der konsequent seinen Visionen folgte. Gleichzeitig war Zwingli auch ein Humanist, der die Menschen erreichen wollte und ihnen mit einer grossen, inneren Ruhe und mit Neugierde begegnete. Er rief die Gesellschaft dazu auf, sich selbst eine Meinung zu bilden und das Wort ernst zu nehmen. Er war also in gewisser Weise ein Vorbote der Demokratie. 

Nun ist heute «zwinglianisch» ein oft eher negativ besetzter Begriff. Er steht für Nüchternheit, Strenge und Selbstbeschränkung. Wie sehen Sie das, nachdem Sie Zwingli verkörpert haben?
Das transportiert ein Bild, das meiner Meinung nach den Tatsachen nur sehr beschränkt gerecht wird. Zwingli war ja tatsächlich ein Mensch, der den Genüssen des Lebens alles andere als abgeneigt war. Für das 16. Jahrhundert war dieser im höchsten Mass unkonventionelle Mann wohl das, was wir heute als einen «Lebemann» und «Freigeist» bezeichnen würden. Dennoch: Zwingli hatte natürlich auch seine Schattenseiten, er ist also kein klassischer Held. Das wird auch im Film immer wieder deutlich.

Ihre Mutter Charlotte Schwab spielt im Film Maria, die Mutter von Zwinglis Ehefrau Anna Reinhart. Wie war die Zusammenarbeit zwischen Ihnen auf dem Set?
Wie mit jedem anderen Kollegen auch. Das Mutter-Sohn-Verhältnis spielte auf dem Set keine Rolle. Und das ist gut so. Regisseur Stefan Haupt ist ein sehr akribischer, ernsthafter Arbeiter, dabei ging es bei den Dreharbeiten familiär zu. Das ist ja genau das, was ich an der Schweiz schätze. Das Vertraute macht die Arbeit als Schauspieler ein Stück weit einfacher. 

Max Simonischek kann sich mit Zwingli identifizieren.Bild: Jeanne Degraa

Weitere Informationen:
«Zwingli» von Stefan Haupt startet am 17. Januar in den Zürcher Kinos.
www.zwingli-film.com  

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