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Kultur

Plante und gestaltete in New York über ein halbes Dutzend Brücken: Der Zürcher Othmar H. Ammann (Aufnahme v. 1962). Bild: PD

Hommage an einen vergessenen Helden

Von: Sacha Beuth

26. März 2019

Vom ETH-Studenten schaffte es der Feuerthaler Othmar H. Ammann in den USA zu einem der bekanntesten Brückenbauer seiner Zeit. Der Zürcher Filmemacher Martin Witz hat nun Ammanns Geschichte in «Gateways to New York» festgehalten.

Vielen New-York-Reisenden dürften die Verrazzano-Narrows-Bridge und die George-Washington-Bridge bekannt sein. Doch ausserhalb von Fachkreisen wissen heute wohl nur die wenigsten, dass sie ein Zürcher Bauingenieur entworfen hat, nämlich Othmar Hermann Ammann. Der 1879 geborene Feuerthaler war zwei Jahre nach Abschluss seines Studiums am Eidgenössischen Polytechnikum (heute ETH) 1904 in die USA ausgewandert und erwarb sich dort den Ruf als «Mister Bridgeconstructor». Doch nach seinem Tod 1965 geriet sein Name in Vergessenheit. Bis sich vor zwei Jahren der Zürcher Dokfilmer Martin Witz seiner Geschichte annahm. Der dabei entstandene Film «Gateways to New York» läuft ab 4. April im Riffraff.

Wie kamen Sie auf das Thema?

Martin Witz: Durch Zufall. Als Kind hatte ich den Namen Othmar Ammann zwar schon gehört, aber mich dann nicht mehr für ihn interessiert. Erst als ich von einem TV-Sender den Auftrag erhielt, für die Serie «Unbesungene Helden» nach Schweizer Persönlichkeiten zu forschen, die im 20. Jahrhundert ihre Zeit mitprägten, stiess ich erneut auf Ammann. Sein Wirken hat mich so fasziniert, dass ich dachte: Den nehme ich für mich, mache eine eigene Kino-Story daraus statt eine TV-Sendung.

Trotzdem handelt «Gateways to New York» nicht nur von Othmar Ammann allein, sondern auch vom Umfeld, in dem er lebte, und von den Arbeitern, insbesondere den Mohawk-Indianern, die seine Brücken bauten.

Dafür gibt es zwei Gründe. Einerseits verdiente es nicht nur der Planer dieser monumentalen Brücken, dass man ihm eine Hommage ­widmet, sondern auch jene, die in schwindelerregender Höhe ihr Leben dafür riskierten. Andererseits ist zwar Ammanns Werdegang ungeheuer spannend, und die Briefe an seine Frau aus seinem Nachlass, die ich bei der Recherche im ETH-Archiv entdeckte, beschreiben die damaligen Zustände hervorragend. Doch gibt es von ihm nur wenig Film- und Fotomaterial. Allein damit hätte ein eineinhalbstündiger Kinofilm nicht funktioniert.

Warum haben Sie nicht auf die Reenactment-Methode zurückgegriffen und Schauspieler wegweisende Szenen nachstellen ­lassen?

Ich bin kein grosser Fan von Re­enactment. Meine Sache ist mehr die klassische Dokumentation. Ausserdem bin ich der Meinung, dass durch die Erzählstimme von Hans­peter Müller-Drossaart die nüchterne Figur von Ammann auch eine gewisse Lebendigkeit erhält.

Was war die grösste Schwierigkeit bei der Umsetzung des Films?

Von den zuständigen New Yorker Behörden die Genehmigungen für das Betreten der Brücken sowie das Drehen darauf zu bekommen. Die hatten nicht nur eine Heidenangst vor einem Terroranschlag, sondern auch vor Klagen bei möglichen Unfällen und dem Aufwand von verkehrstechnischen Anpassungen, die wegen des Filmens nötig wurden. Das führte zu monatelangen Verhandlungen, und ohne die New Yorker Filmproduktion, die wir engagiert hatten, hätten wir wohl wirklich nie grünes Licht erhalten. Mit der Genehmigung verlief dann aber alles fast wie am Schnürchen, und die Brückenleute vor Ort waren sehr ­liebenswürdig und engagiert.

Im Film sieht man aber nicht nur fantastische, aktuelle Aufnahmen der Brücken, sondern auch viele alte Wochenschauberichte und Fotos dazu. Wie sind Sie an diese gelangt?

Durch monatelange Suche online und in den hiesigen Archiven sowie durch die Hilfe von zwei Archiv-Spezialistinnen, die in Amerika recherchiert haben. Zudem stellte uns auch die von Ammann 1946 mit einem Partner gegründete, noch immer existierende Firma Ammann & Whitney Zeitdokumente zur Verfügung. Dadurch gelangten wir an bislang unveröffentlichtes Material. Und wir machten einige wunderbare Entdeckungen. Etwa ein Gruppenfoto, das zeigt, dass Ammann zusammen mit Albert Einstein den Ehrendoktortitel der ETH bekam.

Ab dem nächsten Donnerstag läuft «Gateways to New York» in den Schweizer Kinos. Was soll der Film bei den Zuschauern auslösen?

Hoffentlich wie bei mir ein Gefühl der Wiederentdeckung einer wichtigen Schweizer Persönlichkeit – Ammann war ja wegen seines Wirkens in den USA auch hier berühmt. Und die Erinnerung an die Zeit, als Amerika noch eine «gute» Nation war, zu der man aufschaute und die mit ihrem Pioniergeist Leute wie eben Othmar Ammann in ihren Bann zog.

 

Der Macher von «Gateways to New York

Martin Witz kam am 23. 10. 1956 in Zürich zur Welt und wohnt im Kreis 7. Der Dokfilmer, Dramaturg und Cutter war Mitbegründer des Videoladens Zürich und erreichte mit «Dutti der Riese» über Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler überregionale Bekanntheit als Regisseur. Ausserdem wirkte er in unterschiedlichen Filmen, u. a. «Hugo Koblet – Pédaleur de charme», mit.

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