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Kultur

Der Zürcher Regisseur Hans-Ulrich Schlumpf feierte mit «Der Kongress der Pinguine» weltweit Erfolge. Bild: PD

Scharfer Beobachter, mahnender Visionär

Von: Irene Genhart

21. November 2017

Zehn Filme des Zürcher Regisseurs Hans-Ulrich Schlumpf sind als DVD-Sonderedition erschienen. Die Kollektion vermittelt auch Einblicke in vier bewegte Jahrzehnte Schweizer Filmschaffens.

Wenn es in Zürich nicht anders geht, opfert man Schrebergärten. Das ist nicht nur heute im Frei­lagerquartier so, wo demnächst achtzig Familiengärten einer Schulanlage weichen müssen. Das war schon früher so, zum Beispiel in den 1970er-Jahren, als man in der Herdern den Gemüse-Engros-Markt auf die bestehende Schrebergartenanlage pflanzte. «Kleine Freiheit» heisst der 1978 erschienene Film, in welchem Hans-Ulrich Schlumpf damals festhielt, wie einige der Hobbygärtner ihre liebevoll erstellten Gartenhäuschen aus Frust eigenhändig abfackelten; heute, meinte Schlumpf im Gespräch, würde in dieser Situation die Polizei aufmarschieren.

«Kleine Freiheit» war nicht der erste Film, den Schlumpf, 1939 in Zürich geboren, drehte. Der studierte Kunst- und Literaturwissenschaftler hatte bereits Mitte der 1960er-Jahre seine Liebe zu den bewegten Bildern entdeckt und einige Experimentalfilme und Künstlerporträts gedreht. Doch «Kleine Freiheit» war sein erster langer Dokumentarfilm fürs Kino. Es war eine Stellungnahme für gewöhnliche Menschen und ihre Bedürfnisse, zugleich eine leise Ermahnung, Sorge zu tragen zur Umwelt und Natur, auch im städtischen Raum.  Von sich reden gemacht hat «Kleine Freiheit» damals, und Schlumpf hat dafür sowohl eine Qualitätsprämie der Eidgenossen­schaft als auch den Zürcher Filmpreis erhalten.

In der Rückschau lässt sich «Kleine Freiheit» auch verstehen als Manifest für das, was Schlumpf in späteren Filmen immer wieder umtrieb: der Menschen Befindlichkeit, ihr Umgang mit der ­Umwelt, aber auch das, was die Umgebung mit Menschen macht. So erzählt der 1979 entstandene «Guber – Arbeit im Stein», wie aus Portugal stammende Saisonniers in einem Steinbruch in Obwalden die letzte Pflasterstein­manufaktur nördlich der Alpen betreiben. «Umbruch» (1987) verfolgt die Umstellung einer Zürcher Lokalzeitung vom Bleisatz- zum Computerdruck und hält einen Moment des kulturellen Wandels fest.

Schlumpf ist ein genauer Beobachter und ein scharfer Denker, dessen vehemente Abhandlungen über die Inszeniertheit des sogenannten Dokumentarfilms den Diskurs nachhaltig prägten. Tatsächlich lassen sich Schlumpfs Filme so einfach nicht kategorisieren. So ist sein erster Spielfilm, «TransAtlantique», der auf dem Kapitel «La fin des voyages» (Das Ende der Reisen) aus Claude Levy-Strauss’ «Traurige Tropen» beruht, während der tatsächlich letzten Linienfahrt eines italienischen Ozeandampfers entstanden – und somit auch ein Dokument. Und «Der Kongress der Pinguine», mit dem er 1993 weltweit Erfolge feierte, ist – anders, als man gemeinhin gern meint – kein Dokumentarfilm, sondern eine «filmische Fabel»: der Traum eines Mannes, in dem Pinguine miteinander reden.

Die Gier in der Zivilisation

Vor einem Jahr brachten die Cinémathèque Suisse und Memoriav (Verein zur Erhaltung und Erschliessung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz) «Kleine Freiheit» in einer restaurierten und digitalisierten Fassung wieder ins Kino. In der Folge liess Schlumpf, der in Zürich seine eigene Produktionsfirma betreibt, zwei seiner weiteren analog entstandenen Filme – «TransAtlantique» und «Der Kongress der Pinguine» – digitalisieren, zugleich editierte er seine zehn wichtigsten Filme als DVD-Sammelbox. 

Fragt man Schlumpf nach seinem liebsten Film, winkt er ab und meint, das sei wie bei Kindern, das könne er nicht beantworten. Aber «Ultima Thule – Eine Reise an den Rand der Welt», der vom Nahtod-Erlebnis eines Börsenhändlers erzählt und in Alaska und Zürich spielt, sei die grösste Herausforderung gewesen. Und dieser Film, der am Beispiel der Gier eines Individuums einer der grossen Grund­fragen unserer Zivilisation nachgeht, sei ihm persönlich sehr wichtig.

Alle im Text erwähnten Filme finden sich in der DVD-Box «Collection Hans-Ulrich Schlumpf», erhältlich bei Trigon-Film.

Das «Tagblatt der Stadt Zürich» verlost 2 DVD-Boxen: «Collection Hans-Ulrich Schlumpf». Schreiben Sie uns eine E-Mail mit Namen, Adresse, Telefon, E-Mail-Adresse und Betreff Schlumpf an: gewinn@tagblattzuerich.ch

 

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