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Kultur

Othella Dallas wird am 23. Juni mit dem Swiss Jazz Award geehrt. Bild: PD

Zürich gab ihr Freiheit

Von: Reinhold Hönle

28. Mai 2019

Die charismatische Jazzsängerin und Tänzerin Othella Dallas tritt am diesjährigen Jazz Ascona auf. Zur Stadt Zürich hat die 93-Jährige gleich mehrere besondere Verbindungen.

Sie haben gerade eine Tanzklasse gegeben und scheinen kein bisschen müde – und das mit 93!
Othella Dallas: Ich kann es selbst kaum fassen, aber ich habe mehr Energie als in jungen Jahren. Es steckt eine so unbändige Lebensfreude in mir, dass ich gar nicht weiss, wohin mit ihr!

Was bedeutet Ihnen der Swiss Jazz Award, der Ihnen am 23. Juni in Ascona verliehen wird?
Ich fühle mich sehr geehrt und freue mich, dass über mein Leben berichtet wird. Ich kann es noch immer kaum glauben, dass ich ihn bekommen soll.

Sie treten zum dritten Mal am Jazz Ascona auf. Welche Erinnerungen haben Sie an 2009 und 2011?
Spontan fällt mir dazu ein, dass man mir damals getrost einen etwas höheren Stellenwert hätte beimessen können. Ich rannte von hier nach dort, gab mehrere kleinere Konzerte und dachte dauernd, ich würde auf der falschen Bühne stehen. Der mir gebührende Platz wäre das Zelt. Nie wieder wollte ich nach Ascona kommen!

Wann haben Sie Ihre Meinung geändert?
Nach einer Begegnung mit dem heutigen Jazz-Ascona-Direktor Nicolas Gilliet. Als er mich ans Festival einladen wollte, erzählte ich ihm von meinen Erfahrungen. Darauf versprach er mir einen Auftritt im grossen Zelt. Und nun bekomme ich auch noch den Award! Da scheint ein Gebet erhört worden zu sein.

Sie sind Amerikanerin und verbrachten den Grossteil Ihres Lebens in der Schweiz. In welchen Situationen fühlen Sie sich als Schweizerin?
Ich fühle mich weder als Schweizerin noch als Amerikanerin. Für mich gilt: «Wherever I Lay My Hat, That’s My Home» – Wohin ich meinen Hut lege, da bin ich zu Hause.

Was haben Sie in den 1950er-Jahren besonders geschätzt, als Sie nach Zürich gezogen sind?

Es herrschte eine grosse künstlerische Freiheit, gerade was Tanz und Gesang anbelangt. In Amerika war man früher weniger aufgeschlossen für unvertraute Kunst.

Eine schwarze Tänzerin hatte es damals in den USA wohl besonders schwer.
Absolut richtig. Manche versuchten, uns Schwarze zu töten, andere gaben uns immerhin Brot. Ich sehe die Warteschlangen beim Bäcker heute noch vor mir! Manches ist seit damals besser geworden, aber es gibt immer noch viel Leid und Trauer unter der schwarzen Bevölkerung Amerikas.

Ihr Talent fürs Singen und Tanzen hat Ihnen Türen geöffnet.
Es hat mich aber nicht davor bewahrt, äusserst hart arbeiten zu müssen. Meine Mutter war als erste schwarze Jazzpianistin, die in St. Louis im Radio aufgetreten ist, einerseits ein Vorbild; andererseits wurde ich in unserem Frauenhaushalt immer herumkommandiert. Diesen Befehlston habe ich leider verinnerlicht – und darunter leiden meine Tanzschüler. «Sagen Sie nie bitte?», fragen die öfter, und ich antworte: «Nein, machen Sie einfach, was ich sage!»

Als Solotänzerin stiegen Sie plötzlich auch in eine andere soziale Klasse auf. Wie überwältigend war das für Sie damals als junges Mädchen?

Ich kenne beide Seiten der Medaille: die Plackerei für die Ausbildung in New York und den Ruhm auf der Tournee, wo ich Menschen verschiedener Gesellschaftsschichten kennen lernte. Als unsere Truppe in London zu einer Party der High Society eingeladen wurde, zogen wir es dennoch vor, in ein Pub zu gehen.

Wo sind Sie Ihrem späteren Ehemann, dem Zürcher Ingenieur Peter Wydler, begegnet?
Die Geschichte fing an der Dunham School an, wo ich studierte. Nach den Trainings war ich so fertig, dass ich keine Energie mehr hatte, um auszugehen. Geld dafür hätte ich sowieso keins gehabt, es dauerte schon lange genug, bis ich mir ordentliches Essen leisten konnte. Da tauchte eine Journalistin aus Vevey auf, um über Jazz zu recherchieren. Sie gab mir Fotos von Schweizern, die gern Brieffreundschaften eingehen würden, und riet mir zu Peter. Wir haben uns über zwei Jahre geschrieben, ehe wir uns anlässlich eines Auftritts in Paris erstmals trafen. Bald darauf verlobten wir uns in Davos und heirateten 1949 in Paris.

Ihre erste Tanzschule haben Sie 1950 in Zürich in der Villa Tobler eröffnet. Gab es gleich genügend Interessierte?
Ja, wir wurden geradezu überrannt, vor allem von Schauspielern, darunter Ruedi Walter, Voli Geiler, Walter Morath, Margrit Rainer und Margrit Läubli, die am begabtesten war. Sie tanzte damals schon im Ballett des Stadttheaters.

Weitere Informationen:
Othella Dallas tritt mit ihrer Band vom 22. bis 25. Juni am Jazz Ascona Festival auf. Der Swiss Jazz Award wird ihr bei dem Konzert vom Sonntag, 23. Juni, verliehen.

www.jazzascona.ch

Festivalpässe und Hotelübernachtung zu gewinnen!

Das «Tagblatt der Stadt Zürich» verlost als 1. Preis zwei Festivalpässe fürs Jazz Ascona (3. bis 29. Juni) inklusive einer Übernachtung im Hotel Collinetta in Ascona für zwei Personen im Doppelzimmer für den Abend des 23. Juni, an dem Othella Dallas mit dem Swiss Jazz Award ausgezeichnet wird. Der 2. und der 3. Preis sind je 2 Festivalpässe und die Festival-CD. Senden Sie uns eine E-Mail mit Namen, Adresse, Telefon und Betreff Hotel oder Festivalpass (ohne Hotel) an:
gewinn@tagblattzuerich.ch

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