«Jeder verrät hier jeden»
Das historische Drama «Landesverräter» startet bald in den Kinos und könnte auch dank Stefan Gubsers starker Leistung der Saisonhit werden – obwohl er die Rolle fast abgelehnt hätte.
Das historische Drama «Landesverräter» startet bald in den Kinos und könnte auch dank Stefan Gubsers starker Leistung der Saisonhit werden – obwohl er die Rolle fast abgelehnt hätte.
«Landesverräter» spielt zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in St. Gallen, wo sich der Herumtreiber Ernst Schrämli (Dimitri Krebs) durchs Leben schlägt. Er stammt aus zerrütteten Familienverhältnissen, nur sein Vormund, der Polizist Roman Graf (Stefan Gubser), sowie die Industriellen-Tochter Gerti Zanelli (Luna Wedler) geben ihm anfangs Halt. Während Schrämli widerwillig Militärdienst leistet und von einer Karriere als Sänger in Deutschland träumt, gerät er in die Fänge eines Nazi-Agenten. Der verspricht Schrämli ein Engagement in Berlin, wenn er für ihn im Gegenzug militärische Informationen sammelt. Als die Sache auffliegt, wird Schrämli verhaftet und standrechtlich erschossen. Der auf einer wahren Begebenheit beruhende Film von Regisseur Michael Krummenacher begeisterte das Publikum am ZFF – und verlangte dem Winterthurer Stefan Gubser viel ab.
Was hat Sie dazu bewogen, die Rolle von Schrämlis Vormund Roman Graf zu übernehmen?
Stefan Gubser: Ich kannte zwar das Thema durch den Dokfilm «Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.» von Richard Dindo. Schon damals fand ich die Geschichte faszinierend. Als ich dann das Drehbuch zu «Landesverräter» zugeschickt bekam, dachte ich anfangs gar nicht daran, dass es um dieses Thema gehen könnte. Ich warf es in eine Ecke, bis meine Frau fand: «Jetzt schau doch mal rein.» Zum Glück habe ich das gemacht. Es war eines der besten Drehbücher, die ich bislang in meine Finger bekommen habe. Dennoch bin ich mit gemischten Gefühlen zum Casting, weil ich dachte, die Rollen werden vorab nach der Ähnlichkeit zur jeweils historischen Figur besetzt. Erfreulicherweise war dies überhaupt nicht so – auch wenn ich für die Rolle von Graf ein Körperfettkostüm tragen und mir zehn Kilo anfressen musste (lacht).
Als gestandener Schauspieler haben Sie es in «Landesverräter» mit dem Stadtzürcher Dimitri Krebs mit einem absoluten Neuling zu tun bekommen. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Grandios. Er ist ein absolutes Naturtalent. Einerseits bringt er eine unglaubliche physische Präsenz und Ausstrahlung mit. Andererseits versteht er es, eine Figur uneitel zu interpretieren, also zu spielen, ohne dabei zu übertreiben.
Graf sieht sich als Ersatzvater für Schrämli. Dennoch hat er nach einer seiner Eskapaden genug und gibt die Vormundschaft auf. Inwieweit hat dies Einfluss auf Schrämlis weiteres Leben?
Schrämli dürfte dies als Verrat empfunden haben. Das weiss auch Graf, der deswegen in einen inneren Konflikt gerät, sich für seine weitere Karriere als Polizist oder seine Empathie für Schrämli zu entscheiden. Dennoch hätte Schrämli wohl den eigentlichen «Landesverrat» auch so begangen. Er wollte unbedingt ein berühmter Sänger werden. Dem setzte er alles unter und beging selbst Verrat – an seiner Geliebten Gerti oder seinem Kameraden Max. Überhaupt ist es ein zentraler Punkt des Films, dass für persönliche Ziele hier jeder jeden verrät.
Haben Sie eine ähnliche Situation wie Graf schon in der Realität erlebt, wo Sie auch in einen inneren Konflikt gerieten?
Tatsächlich gab es in meinem Umfeld eine Person, der ich sagen musste, dass ich nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Ich geriet deswegen ebenfalls in einen inneren Konflikt und kann darum Grafs Dilemma sehr gut nachvollziehen.
Das Militär hatte damals viel Macht – auch im zivilen Leben. Zu viel für einen Freigeist wie Schrämli?
Ich denke ja. Wenn jemand so ein bunter Hund ist, der seine eigenen, kreativen Vorstellungen von seinem Leben hat und sich nicht unterordnen kann und will, dann ist das Militär der Tod für ihn.
Rechtsbürgerliche Kreise sahen die Erschiessung Schrämlis als gerechte Strafe, linke Kreise dagegen als Exempel an aufbegehrenden einfachen Soldaten. Und Sie?
Ganz klar als Letzteres. Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass Schrämli gar keine grossen Staatsgeheimnisse verraten hat. Die Granaten, die er stahl und übergab, waren für die Deutschen nichts Neues. Und die Skizzen von militärischen Einrichtungen unbrauchbar. Er hat es schlicht nicht verdient, zum Tode verurteilt zu werden. Man suchte einen Sündenbock, um gegenüber den Alliierten zu zeigen, dass man sich gegenüber den Nazis abgrenzte. Natürlich erst, nachdem sich das Kriegsglück zum Nachteil der Deutschen wendete. Zur gleichen Zeit lieferte die Schweiz etwa über Emil Georg Bührle immer noch Waffen an die Nazis. Diese Widersprüche der Schweizer Politik sind im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine auch heute wieder aktuell – und einer der Gründe, warum man sich den Film unbedingt anschauen sollte.
«Landesverräter» startet am 24. Oktober in den Schweizer Kinos.
Sacha Beuth
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