Leichtigkeit des Aquarells
Thomas Müllenbach ist Maler, Zeichner und Verfasser von Aphorismen. Der pensionierte Professor der Zürcher Hochschule der Künste ist täglich in seinem Atelier anzutreffen - Von Kati Moser
Thomas Müllenbach ist Maler, Zeichner und Verfasser von Aphorismen. Der pensionierte Professor der Zürcher Hochschule der Künste ist täglich in seinem Atelier anzutreffen - Von Kati Moser
Vor über 30 Jahren liess Thomas Müllenbach ein Atelier an sein Haus an der Berninastrasse anbauen. Die Wände sind hoch, Licht fällt von zwei Seiten und der Decke herein, der Boden ist voller Farbkleckse. Auf Tablaren stapeln sich Werke, andere lehnen an den Wänden oder stehen zusammengerollt beieinander. Was auffällt: Von den Arbeiten sind nur die Rückseiten zu sehen. «Ich muss offen sein für Neues, kann mich nicht zutapezieren mit Arbeiten von gestern.» Dieses Fokussieren auf das Jetzt und die eigene Arbeit geht soweit, dass Thomas Müllenbach in seinem Haus mit Meerblick und Olivenhain auf Kreta – wo seine Frau Isabella Kurse für traditionelle griechische Tänze anbietet – beim Malen und Zeichnen dem herrlichen Panorama den Rücken zukehrt.
Bereits mit 14 Jahren weiss der in Koblenz/D geborene und in Bonn aufgewachsene Thomas Müllenbach, dass er Maler werden will. Nach einigen Jahren an der Kunstakademie in Karlsruhe, wo er die Studienfächer Malerei und Bildhauerei belegt, wechselt er 1972 nach Zürich, um am Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft eine Ausbildung zum Restaurator zu absolvieren. Aber eigentlich will er lernen alte Meister fachgerecht zu kopieren, den Aufbau eines barocken Bildes zu verstehen, die komplexe Farbschichtung der Haut zu entschlüsseln.
Nach zwei Jahren Ausbildung ist Thomas Müllenbach als Künstler unterwegs. In den Jahren 1974 und 1975 erhält er das Stipendium für Bildende Kunst der Stadt Zürich, vier Jahre später ein einjähriges Atelierstipendium in New York. Zurück in der Limmatstadt folgen Einzelausstellungen im In- und Ausland, darunter auch im Kunsthaus Zürich. 1985 ist der Wahlzürcher Initiator und Mitbegründer der Kunsthalle Zürich, von 1989 bis 2015 Professor an der Zürcher Hochschule der Künste. «Ich wurde für das Amt angefragt, denn damals gab es in der Schweiz wenige Maler, die sich mit Farbe auskannten». Thomas Müllenbach, der weder Kunstpädagogik studiert hatte, noch je als Zeichnungslehrer tätig war, findet schnell den Draht zu den Studierenden, die es schätzten, von einem aktiven Künstler in ihrem Werdegang begleitet zu werden.
Thomas Müllenbach ist Maler, Zeichner und schreibt Aphorismen, «manchmal ziemlich boshafte», wie er verschmitzt eingesteht. Scharf beobachtet der intensive Zeitungsleser und Kinogänger, was in der Welt abgeht. «Ich habe weder TV noch Computer, ich bin ein analoger Mensch.» Die Woke-Bewegung findet er ziemlich lächerlich, das Wort Ethik sei durch Woke ersetzt worden. Vier mit «Woke 1 - 4» betitelte Aquarelle haben auch Eingang in die laufende Ausstellung «Indoor – Aquarelle» in der Sam Scherrer Contemporary gefunden. Es sind vier nicht identifizierbare Köpfe vor dunklem Hintergrund, jedem haftet ein Hauch von Überheblichkeit an.
Die Zürcher Ausstellung zeigt knapp 20 Aquarelle der letzten Jahre, klein- und grossformatig, auf Papier, Trevira oder Fallschirmseide. Letzteres ist ein schwer zu bearbeitendes Material, das aber zart durchschimmernde Farben und ein grosses Format zulässt. Die Werke sind direkt an die Wand gepinnt, ohne Rahmen, die Ausstellung soll jene Leichtigkeit vermitteln, die dem Aquarell als dem dünnste Medium zukommt.
Im Zentrum von Thomas Müllenbachs Œvre stehen Interieur und Stillleben, die «philosophischsten Genres überhaupt». Innenräume wie Operationssäle, lange Korridore, Cockpits, ein experimenteller Kernfusionsreaktor im Bau wecken das Interesse des Malers. «Ich bin fasziniert von einer High-Tech-Welt, von der ich nichts verstehe. Alles wirkt chaotisch, ist aber hohe Präzision». Als Vorlage dienen ihm oft Zeitungsbilder, die seine Aufmerksamkeit wecken, Bilder, die er sich aneignet, aus denen er neue Räume schafft. «Einerseits entstehen einfache, anderseits hochkomplexe Bilder, die ich nicht mischen möchte.» Skizzen zu seinen Bildern macht Thomas Müllenbach keine, höchstens ein paar Notizen. «Ich versuche alles im Kopf zu speichern, ins Gehirn geht viel rein».
Weitere Informationen:
Die Ausstellung «Indoor – Aquarelle» bei Sam Scherrer Contemporary an der Kleinstrasse 16 in Zürich, dauert noch bis zum 8.2.2025.
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