Eine tödliche Völkerschau
1925 eröffnete in Altstetten eine Völkerschau, an der Menschen aus Westafrika ausgestellt wurden. Der Anlass wurde zum Massenspektakel, das für zwei «Dorfbewohner» tödlich endete. Von Jan Strobel
Völkerschau am Letzigraben, neben dem Gelände des späteren Letzigrund-Stadions. Bild: Baz/Ernst Zollinger
1925 eröffnete in Altstetten eine Völkerschau, an der Menschen aus Westafrika ausgestellt wurden. Der Anlass wurde zum Massenspektakel, das für zwei «Dorfbewohner» tödlich endete. Von Jan Strobel
Die Schmerzen des jungen Mannes wurden irgendwann derart stark, dass Dr. med. Abderhalden aus Altstetten an den Letzigraben gerufen wurde. Schnell diagnostizierte der Arzt eine Lungenentzündung und Grippe. Zwei Tage später war der 18-jährige Patient tot. Seine Leiche lag in der Hütte «Tamtam Foula» im «Negerdorf», das im August 1925 beim heutigen Letzi-grund als Publikumsspektakel eröffnet wurde.
Der junge Mann, der laut zeitgenössischen Medienberichten Sana Camara hiess, war einer von 74 «Bewohnern» des Hüttendorfs. «Diese Afrikaner weisen eine wunderbare schwarze Hautfarbe auf und wollen der schweizerischen Bevölkerung ihr heimatliches Leben vorführen», berichteten die «Neuen Zürcher Nachrichten». Die meisten dieser in Altstetten zur Schau gestellten Männer, Frauen und Kinder stammten aus Französisch-Guinea, aus dem westafrikanischen Volk der Fulbe, und waren bereits an der «Kolonialausstellung» in Lausanne dem Publikum vorgeführt worden. Die Völkerschau in Altstetten erlebte einen wahren Massenandrang. Die Trams zur damaligen Stadtgrenze hinaus waren regelmässig überfüllt.
Kurz nach dem ersten Todesfall starb im «Negerdorf» ein zweiter junger Mann, vermutlich an einer Herzerweiterung und falscher Ernährung. Gleichwohl ging das Spektakel unbeirrt weiter. Im September allerdings begannen die kühlen Nächte den Menschen im «Dorf» zuzusetzen. Einige Altstetter spendeten ihnen deshalb Strümpfe, Leibchen, Westen oder Ohrenklappen. Erst als die Temperaturen weiter sanken, entschlossen sich die Lausanner Veranstalter zum Abbruch der Schau. Die Hütten wurden danach als Gartenhäuschen versteigert.
Während die westafrikanische Gruppe in ihre Heimat zurücktransportiert wurde, blieb Sana Camara, der in einer der Hütten sein Leben gelassen hatte, auf dem Altstetter Friedhof zurück. Dort war er nach muslimischem Ritus durch den ebenfalls im «Dorf» ausgestellten Marabou bestattet worden. Die Beerdigung selbst verkam ihrerseits wieder zum «exotischen» Spektakel, das sich auch der damalige Gemeinderat von Altstetten nicht entgehen lassen wollte.
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