Der Sparhammer bleibt aus
Wenn es nach dem Stadtrat geht, soll ab 2031 das neue Sportzentrum Oerlikon den Betrieb aufnehmen. Die Kosten veranschlagt er zuhanden des Gemeinderats auf 373 Millionen Franken. - Von Jan Strobel
Das neue Sportzentrum Oerlikon mit Aussenbecken in einer Visualisierung. Bis zum geplanten Baubeginn soll das alte Hallenbad in Betrieb bleiben. PD
Wenn es nach dem Stadtrat geht, soll ab 2031 das neue Sportzentrum Oerlikon den Betrieb aufnehmen. Die Kosten veranschlagt er zuhanden des Gemeinderats auf 373 Millionen Franken. - Von Jan Strobel
Stadtrat Filippo Leutenegger, Vorsteher des Schul- und Sportdepartements, sprach vergangenen Mittwoch mit Blick auf das geplante Sportzentrum Oerlikon von einer «grossen Nummer». Immerhin soll zwischen Kühriedweg, Wallisellen- und Siewerdtstrasse dereinst eines der schweizweit grössten Zentren für Sport und Freizeit entstehen, gleichsam als massiver «Leuchtturm» der «Sportstadt Zürich». Filippo Leutenegger und Stadtratskollege André Odermatt, Vorsteher des Hochbaudepartements, legten nun den «vertieften Abschluss» des Vorprojekts vor. Damit gibt der Stadtrat offiziell grünes Licht für das Projekt und beantragt dem Gemeinderat die dafür erforderlichen Mittel. Gerechnet wird mit einem Ausführungskredit von insgesamt 373 Millionen Franken, über den das Stadtparlament und voraussichtlich im Herbst 2025 auch die Stadtzürcher Stimmbevölkerung zu entscheiden haben.
Geplant ist ein Hauptgebäude mit einem erweiterten Hallenbad, zwei Kunsteisfeldern und einem Werkhof von Grün Stadt Zürich. Nördlich der Wallisellenstrasse sollen drei Rasensportfelder entstehen, südlich davon vier weitere Rasensportfelder und ein grosszügiges Garderobengebäude. Damit soll das künftige Sportzentrum Oerlikon drei Sportanlagen und einen Werkhof vereinen oder, wie es Stadtrat André Odermatt ausdrückte: «Es ist das richtige Sportzentrum am richtigen Ort.» Tatsächlich nimmt mit dem Bevölkerungswachstum der Druck auf die Sport- und Freizeitinfrastruktur der Stadt zu, besonders in Zürich Nord. Und die Nachfrage stieg gesamtstädtisch in den letzten 15 Jahren massiv – ohne neue Angebote, welche sie auffangen könnten. So nahmen etwa die Eintritte in Hallenbädern zwischen 2008 und 2023 gemäss städtischen Erhebungen um 14,5 Prozent zu, die Anzahl der Schulschwimm-Lektionen um 30,6 Prozent. Die Eintritte für die Kunsteisbahnen wiederum stiegen in der Stadt Zürich im selben Zeitraum um 41,1 Prozent.
Besonders deutlich zeigt sich der Druck beim Fussball und den Rasensportfeldern. Die Nutzung für Trainings und Wettkämpfe stieg zwischen 2008 und 2023 um 65,5 Prozent, die Anzahl der Kinder und Jugendlichen um 58,8 Prozent, beim Mädchenfussball gar um stolze 138,8 Prozent. Unlängst warnte Piero Bauert, Doyen der Juniorenförderung im hiesigen Fussball, gegenüber dem «Tagblatt»: «Die Situation ist am Limit.» Ein Ventil, das den Druck mildern könnte, würde sich nur sehr langsam öffnen, zu langsam für viele Fussballvereine in der Stadt Zürich. Nötig sei ein «deutliches, politisches Bekenntnis zur Breitenfussball-Entwicklung» («Tagblatt» vom 4.6.).
Mit dem neuen Sportzentrum soll nun in Zürich-Nord eine Lücke gefüllt werden mit zusätzlichen und intensiver nutzbaren Rasensportflächen. Zusätzlich sehen die Pläne 60 Prozent mehr Wasserfläche einschliesslich eines wettkampftauglichen 50-Meter-Beckens, Lehrschwimmbeckens und einer Sprungturmanlage vor. Die beiden Kunsteisfelder werden ganzjährig nutzbar sein.
Der neuen Sportanlage weichen soll unter anderem das 1978 eröffnete Hallenbad Oerlikon. Das Gebäude habe sein «Ablaufdatum» erreicht, so André Odermatt und biete keine Möglichkeit, die Kapazitäten zu erweitern. Bei seiner Inbetriebnahme war der Bau die grösste Hallenbadanlage der Schweiz.
Für Debatten sorgt im Quartier besonders die geplante Aufhebung der sechs Tennisplätze des Tennis-Clubs Oerlikon, welche im Zuge des neuen Sportzentrums einem zusätzlichen Fussballplatz weichen sollen. Für die Stadt als Eigentümerin des Grundstücks hat der Druck auf die Rasensportflächen höhere Priorität, eine Haltung, welche der Tennisclub nicht nachvollziehen kann. Aktuell scheinen sich in diesem Fall die Fronten allerdings etwas aufgeweicht zu haben. Die Stadt bot Hand für die Suche nach einem Alternativstandort für die Tennisplätze. Im Gespräch ist als Plan B die Sportanlage Eichrain in Zürich-Seebach.
Eine «grosse Nummer» ist im wahrsten Sinn des Worts der vorgesehene Ausführungskredit von 373 Millionen Franken. Bereits bei der ersten Vorstellung des Projekts im vergangenen Jahr war in den Medien von einer «Kostenexplosion» und einem «Luxustempel» die Rede. Die sehr grob veranschlagten Kosten waren von ursprünglich 210 Millionen auf bis zu 400 Millionen gestiegen. Die Stadt gab damals die Teuerung, Altlasten im Baugrund und Projektanpassungen als Grund an. Ein weiterer Kostentreiber ist die geplante Photovoltaik-Anlage, notabene die grösste der Stadt. Auch im Stadtparlament kamen parteiübergreifend kritische Fragen zu den massiven Mehrkosten auf.
In seiner abschliessenden Projektvorlage konnte der Stadtrat nun konkretere, wenn auch kleine, Kostenreduktionen präsentieren. So entfallen etwa das Tauchsilo und das Wärmeaussenbecken. Ebenso wird auf eine Ambiente-Beleuchtung verzichtet, reduziert werden sollen zudem die Anzahl der Sitzelemente und die Kubikmeter des Kaltwasserbeckens. Die Bushaltestelle soll in einer «Standardausführung» erstellt und die Fussballtore wiederverwendet werden. Insgesamt konnten so rund 33 Millionen Franken eingespart werden.
Die Zustimmung von Gemeinderat und Stimmvolk vorausgesetzt, soll das Hauptgebäude im Mai 2031 bezogen werden, das Garderobengebäude bei den Rasensportplätzen im Juni 2033. Der Vollbetrieb der Gesamtanlage ist auf Februar 2036 vorgesehen.
Ihre Meinung zum Thema?
Lade Fotos..