Die Badi wird zum Park
Das Freibad Letzigraben bleibt im Winter offen. Die Quartierbewohner nutzen die Anlage in Eiseskälte als Grünraum. Laut Stadt prüft man eine Erweiterung des Angebots in anderen Quartieren. - Von Clarissa Rohrbach
Das Freibad Letzigraben bleibt im Winter offen. Die Quartierbewohner nutzen die Anlage in Eiseskälte als Grünraum. Laut Stadt prüft man eine Erweiterung des Angebots in anderen Quartieren. - Von Clarissa Rohrbach
Mittwochnachmittag, 5 Grad. Die Kasse des Freibads Letzigraben ist verwaist. Wo im Sommer fröhliches Treiben herrscht, ist im Winter Stille. Auf den ersten Blick scheint die Badi leer. Doch bleibt man länger, begegnet man Spaziergängern im Minutentakt. Eine ältere Frau joggt, ein junges Paar mit Kinderwagen versucht, das Baby beim Spazieren zum Schlafen zu bringen. «Im Winter ist die Badi wie ein Park, es ist schöner als im Sommer, da herrscht Chaos und es ist zu laut», sagt der 30-Jährige mit seiner Partnerin. Die Passanten geniessen den Grünraum im Quartier, um sich zu erholen. Das Schwimmbecken ist abgesperrt, im Wasser schwimmen verwelkte Blätter. Weit und breit ist kein Personal zu sehen. In den kalten Monaten sind nur ein bis zwei Personen in der Badi im Einsatz.
Dass die Badi Letzigraben auch im Winter offen bleibt, geht zurück auf eine Petition der Grünen Kreis 3/9. Mit dem Namen «Letzibad – auch ein 4-Jahreszeiten-Stadtpark» forderten 1200 Unterzeichnende von der Stadt, die Winternutzung zu prüfen. Diese führte zwischen 2019 und 2022 ein Pilotprojekt durch, das sich bewährte, sodass nun die Badi von Oktober bis März offen ist. Pro Jahr kostete der Unterhalt 130 000 Franken. Laut den Initianten sind mit der geplanten Verdichtung der Stadt Grünräume knapp, deswegen sei es wichtig, dass genügend davon zur Verfügung stehen. Dem stimmte damals Stadtrat Filippo Leutenegger zu. Dieser meinte im «Tages-Anzeiger», dass es ihm wichtig sei, dass die vorhandenen Grünräume möglichst vielen Menschen zugänglich sind. Anlagen der Freibäder seien dabei wichtige Erholungsräume.
Auch an diesem Nachmittag schätzen die Besucher die Möglichkeit, Zeit im Grünen verbringen zu können. «Es ist ein Mehrwert fürs Quartier», sagt beispielsweise Martin Steiner. Er wohnt in der Nähe und kommt oft in die von Max Frisch erstellte Badi für einen Spaziergang. Für ihn sei es wie Meditieren, er geniesse es, die Natur zu beobachten, die herunterfahre. Der 85-Jährige arbeitet zuhause und kommt ins Letzi, um sich eine Pause zu gönnen. «Es ist gut, dass sich die Stadt für eine Winternutzung entschieden hat, von mir aus kann man das auch in anderen Quartieren einführen», meint Martin Steiner.
Die Badis sind bei den Zürcherinnen und Zürchern beliebt. Im letzten Sommer besuchten über 2,04 Millionen Menschen die 15 vom Sportamt betriebenen Anlagen. Seit 30 Jahren öffnet die Stadt die Türen einzelner Badis für die Winternutzung. 42 497 Personen haben letztes Jahr das Angebot im Freibad Letzigraben genutzt. «Die Zahl der Besuchenden konnte in den letzten Jahren mehr als verdoppelt werden», betont Thomas Markus, Bereichsleiter in der Abteilung Eis- und Badeanlagen des Sportamts. Die Öffnung während der kalten Monate stosse auf grosse Resonanz. Auch die Badis Utoquai, Mythenquai und Tiefenbrunnen bleiben im Winter offen (siehe Box). Erstmals ist auch das Freibad Allenmoos in Oerlikon in den kalten Monaten zugänglich. «Die Winterangebote erfreuen sich grosser Beliebtheit», sagt Thomas Markus. Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung seien sehr positiv. Die Treffpunkte für Jung und Alt seien aus den Quartieren nicht mehr wegzudenken. Man prüfe weitere Möglichkeiten.
Das begrüsst eine Frau aus Schwamendingen, die gerade mit ihren beiden Kindern eine Runde in der 3,5 Hektaren umfassenden Anlage dreht. «Es ist schade, dass die Badis in den anderen Quartieren geschlossen sind, die Stadt sollte die Winternutzung öfters zulassen, es ist nämlich wirklich lässig», meint die 42-Jährige. Für sie sei es spannend zu sehen, wie sich das Bad im Winter präsentiert. Sie beobachte auch das mit Wasser gefüllte Schwimmbecken, Schwimmen sei aber verboten. Das Sportamt erklärt, dass im Winter die Badwassertechnik ausser Betrieb und die Wasserqualität nicht gewährleistet seien. Zudem seien die Becken im Winter nicht beaufsichtigt. «Die Leute halten sich an die Regeln», erklärt Thomas Markus vom Sportamt weiter. Damit das Wasser nicht gefriert, ist es mit Frostschutzmittel angereichert. So würden Schäden an Beton, Beschichtungen und Fugen vermieden, die mit der Kälte rasch spröde und rissig würden. Zudem halte man so Vandalen und Skater fern.
Der Nachmittag neigt sich dem Ende zu. Die Badi schliesst um 17 Uhr. Franziska Züllig sitzt noch auf einem Bänkli und beobachtet ihre 2-jährige Tochter Leonie, die mit den Gartenschachfiguren spielt. «Wir kommen ins Letzi, seitdem wir das Kind haben. Leonie freut sich riesig, hier zu sein.» Wie die anderen Passanten meint auch Franziska Züllig: «Im Winter ist die Badi megaschön.» Mutter und Tochter fahren mit ihren Trottinetts davon, in der Ferne krächzt ein Vogel, sonst ist an diesem eisigen Tag nichts zu hören.
Freibad Letzigraben: Das Bad ist bis zum 6. April 2025 geöffnet. Von November bis Februar jeweils von 9 bis 17 Uhr, im März und April von 9 bis 18 Uhr. Liegewiesen, Grillstelle, Spielgarten, Gartenmühle, Gartenschach und Sportbox stehen zur Verfügung.
Strandbad Mythenquai: Die Parkanlage ist bis zum 23. April 2025 täglich von 6 bis 20 Uhr geöffnet.
Freibad Allenmoos: Das Bad ist bis zum 6. April 2025 täglich geöffnet, von November bis Februar von 9 bis 17 Uhr, im März und April von 9 bis 18 Uhr.
Strandbad Tiefenbrunnen: Die Parkanlage ist bis zum 23. April 2025 täglich von 7.30 bis 19.30 Uhr geöffnet.
Seebad Utoquai: Bis zum 30. März 2025 können Interessierte samstags und sonntags von 11 bis 14 Uhr unter Aufsicht im See schwimmen. Das Sportabo ist für das Winterschwimmen nicht gültig.
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