«Wie ist denn die Nummer?» Aus Datenschutzgründen können Klassenlisten unvollständig sein und darum die spontane Kontaktaufnahme zwischen Schülerinnen und Schülern erschweren. Symbolbild: unsplash
19.11.2024 17:08
Das Ende einer Liste?
Früher genügte ein Blick auf die Klassenliste, um an die Kontaktdaten von Schulkameraden und deren Eltern zu gelangen. Doch heute können Eltern gemäss den aktuellen gesetzlichen Grundlagen die Weitergabe der Kontaktdaten unterbinden, was den spontanen Austausch erschweren kann. - Von Sacha Beuth
Nadja W.* ist genervt. Die Zürcherin ist Mutter einer 8-jährigen Tochter, die sich kürzlich spontan mit einer neuen Klassenkameradin verabreden wollte. Doch als W. dafür die Telefonnummer der Eltern des «Gspänlis» auf der Klassenliste suchte, fand sie nur ein leeres Feld vor. W. fragt am nächsten Tag bei der Klassenlehrerin ihrer Tochter nach und erfährt, dass aufgrund der aktuellen gesetzlichen Grundlagen Eltern die Weitergabe von Kontaktdaten unterbinden können. «Wenn mein Kind oder ich die Telefonnummer möchten, müsste es oder ich die Lehrerin anfragen, die dann die Anfrage an die Eltern der Klassenkameradin weiterleitet und – falls grünes Licht erteilt wird – uns dann mitteilt», sagt W. und fragt: «Übertreibt man es hier nicht mit dem Datenschutz, wenn man eine Kontaktaufnahme zwischen zwei Schülerinnen so verkompliziert? Und welchen Zweck hat eine Klassenliste noch, wenn wichtige Daten fehlen?»
Positive Rückmeldungen
Tatsächlich können in der Stadt Zürich Eltern seit Herbst 2023 über das Portal «Meine Kinder» die Freigabe ihrer Daten selbst steuern. Hayal Oezkan, Leiter Kommunikation beim Schulamt der Stadt Zürich, verweist diesbezüglich auf positive Rückmeldungen der Erziehungsberechtigten, insbesondere wegen des Datenschutzes. Er bestätigt zwar, dass dadurch Lücken in der Klassenliste möglich sind. «Dies ist zu respektieren. In den meisten Fällen sind die Kontaktdaten jedoch verfügbar, da nur wenige Eltern eine Sperre veranlassen, wodurch die Klassenliste ihren Kommunikationszweck weiterhin erfüllt.» Abgesehen davon, würden heutzutage viele Eltern und Kinder gängige Messenger-Dienste nutzen, um Verabredungen zu treffen.
Dennoch hat die Klassenliste insgesamt an Bedeutung verloren. Dies zeigt sich etwa bei einem allfälligen Klassenalarm wie bei einer kurzfristigen Absage einer Klassenreise oder wenn die Lehrperson kurzfristig verhindert ist. «Der Klassenalarm erfolgt heute durch die Klassenlehrperson per E-Mail an die Erziehungsberechtigten. Dies geschieht im BCC, um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten. Der Aufwand ist dabei geringer als beim traditionellen Klassenalarm, und die Informationsübermittlung ist zuverlässiger», so Oezkan. Eine Aussage, die W. nur bedingt teilt. «Es mag zuverlässiger sein, wenn man dauerhaft online ist. Falls nicht, hat man ein Problem, denn den Eingang eines E-Mails höre ich spätabends im Gegensatz zum Klingeln eines Telefons nicht.» Auch das Argument, sich über Messenger-Dienste auszutauschen, hält W. nicht für eine gute Lösung. «Einerseits kann man nicht erwarten, dass jeder Primarschüler, vor allem nicht in der Unterstufe, über ein Smartphone verfügt. Und andererseits wird man so nur noch mehr digital abhängig.»
* Name der Redaktion bekannt
Ihre Meinung zum Thema?
echo@tagblattzuerich.ch