Geld ist immer ein Grund für Streit
Viele Paare heiraten, ohne sich Gedanken zu machen, was passiert, wenn die Ehe scheitert. Trennungsberater haben einen «Ehe-Führerausweis» entwickelt und raten Verliebten, sich vorzubereiten. - Von Ginger Hebel
Viele Paare heiraten, ohne sich Gedanken zu machen, was passiert, wenn die Ehe scheitert. Trennungsberater haben einen «Ehe-Führerausweis» entwickelt und raten Verliebten, sich vorzubereiten. - Von Ginger Hebel
Heiraten. Für viele Paare eine Traumvorstellung. An den Hochzeitsmessen, die dieser Tage an verschiedenen Orten in der Schweiz stattfinden, können künftige Brautpaare neuerdings einen Test für den «Ehe-Führerausweis» absolvieren. Eine Möglichkeit, herauszufinden, wie gut sie auf die Herausforderungen des Ehelebens vorbereitet sind. Der Multiple-Choice-Test mit Fragen zu Bereichen wie Kommunikation, Güterstand, Finanzen, Kinderbetreuung, Konfliktbewältigung und Scheidungsvereinbarung richtet sich an alle Verlobten, Braut- und Ehepaare, die ihre Beziehung auf eine spielerische aber zugleich ernsthafte Weise reflektieren wollen. Hinter dem Vorbereitungskurs steckt der gemeinnützige Verein IGM, eine Interessengemeinschaft geschiedener und getrennt lebender Männer. Er unterstützt Menschen, die von Trennungs- und Scheidungsproblemen betroffen sind. Trennungsberater René Kälin berät als Rechtsexperte der IGM Schweiz auch Zürcherinnen und Zürcher.
Brauchen Paare einen Ehe-Führerausweis?
René Kälin: Sinnvoll wäre er. Jährlich werden schweizweit um die 33 000 Ehen geschlossen, 17 000 werden allerdings geschieden – eine hohe Zahl! Der Ehe-Führerausweis ist natürlich kein offizielles Dokument. Unser Ziel ist es, Paaren nicht nur eine unterhaltsame Erfahrung zu bieten, sondern auch einen Anstoss, über Themen nachzudenken, die oft erst später in der Ehe zum Vorschein kommen. Auch in Bezug auf juristische Konsequenzen der Eheschliessung. Der Test soll dabei helfen, gemeinsame Werte und Ziele aber auch mögliche Konfliktfelder zu erkennen.
Bei welchen Themen besteht Nachholbedarf?
Viele Paare heiraten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was passiert, wenn die Ehe scheitert. Sie wollen sich erst gar nicht damit auseinandersetzen und an ein mögliches Danach denken – ein Fehler! Wir möchten Paare für die wichtigen Themen in der Ehe sensibilisieren. Wer liebt, sieht viele Dinge durch die rosarote Brille. Doch das Ja-Wort bringt einige Änderungen mit sich, bei der Vorsorge aber auch finanziell.
Welche Themen führen oft zu Streit?
Geld ist immer ein Grund für Streit. Bei einer Scheidung bringt das Pensionskassen-Splitting viele Männer in finanzielle Not. Viele leiden unter dieser Belastung. Auch Unterhaltszahlungen, Sorgerecht und Kinderbetreuung sind heikle Themen, über die man sich frühzeitig Gedanken machen sollte.
Gerade jüngere Leute träumen von der Märchenhochzeit.
Ja, das ist so. Viele haben die romantische Hollywood-Vorstellung im Kopf. Oft gibt es aber auch einen gesellschaftlichen Druck. Man heiratet, weil es die besten Freunde auch tun oder es die Verwandtschaft erwartet. Aber auch jüngste Gesetzesänderungen und Fortschritte bei der Angleichung der Elternrechte wie die alternierende Obhut motivieren zur Heirat.
Warum lassen sich trotzdem so viele Menschen scheiden?
Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Wenn das Auto nicht mehr gefällt, wird es verkauft. So ist es auch mit den Beziehungen. Wenn es nicht mehr passt, trennt man sich oder lässt sich scheiden. Viele sind heutzutage schlicht nicht mehr gewillt, zu kämpfen.
Sind Sie verheiratet?
Nein, aber ich lebe seit vielen Jahren in einer glücklichen Partnerschaft. Ich bin 40. In meiner Generation gibt es viele Scheidungskinder, das prägt. Viele in meinem Alter leben in modernen Partnerschaftsmodellen, auch die, die Kinder haben. Für ältere Generationen war ein Kind oft ein Hauptgrund fürs Heiraten. Heute lässt sich alles regeln. Man muss es nur tun. Ich zum Beispiel würde nicht ohne Ehevertrag heiraten. Es ist ein finanzieller Schutz, gerade, wenn Eigengüter oder eine eigene Firma im Spiel sind. In der Schweiz sind Eheverträge aber selten.
Wo sehen Sie Probleme, wenn man unvorbereitet in die Ehe geht?
Solange die Liebe da ist, ist ja alles in Ordnung. Problematisch wird es, wenn Wut und Enttäuschung dominieren. Dann sind oft keine konstruktiven Gespräche mehr möglich. Wüste Trennungen und Scheidungen sind dann vorprogrammiert. Darunter leiden vor allem die Kinder.
Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch
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