Frauenschläger darf bleiben
Ein Tunesier attackierte seine Ehefrau am Hauptbahnhof und drohte ihr mit dem Tod. Vor Obergericht kämpft er um einen Freispruch – der Staatsanwalt hingegen fordert seine Ausweisung. - Von Isabella Seemann
Ein 48-jähriger Tunesier attackierte seine Ex-Frau mitten im Hauptbahnhof Zürich und bedrohte sie mit dem Tod. Bild: Symbolbild dpa
Ein Tunesier attackierte seine Ehefrau am Hauptbahnhof und drohte ihr mit dem Tod. Vor Obergericht kämpft er um einen Freispruch – der Staatsanwalt hingegen fordert seine Ausweisung. - Von Isabella Seemann
Fathi Jebali* tritt mit der Coolness eines Mannes auf, der überzeugt ist, sein Schicksal noch einmal wenden zu können. Der 48-jährige Tunesier wurde vom Bezirksgericht Zürich wegen Drohung und Tätlichkeiten, sowie dem Widerruf einer bedingten Strafe zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 150 Tagen verurteilt – ein Urteil, mit dem er sich nicht abfinden will. Vor Obergericht kämpft er um einen vollständigen Freispruch. Doch auch die Gegenseite bleibt hartnäckig: Der Staatsanwalt hält das erstinstanzliche Urteil für zu milde und drängt auf eine Landesverweisung – ein Antrag, den das Bezirksgericht abgelehnt hatte. Nun liegt es am Obergericht, über Schuld und Konsequenzen zu befinden.
Fathi Jebali kam 2009 durch die Heirat mit einer Schweizerin nach Zürich – doch das Eheglück erwies sich als flüchtig. Bereits 2014 ging er einen neuen Bund ein: mit der zehn Jahre jüngeren Landsfrau Nadia, die er in die Schweiz holte. Zwei Söhne entsprangen dieser Verbindung, heute sieben und acht Jahre alt. Doch auch diese Ehe scheiterte.
In all den Jahren hat Jebali sich die deutsche Sprache nie wirklich angeeignet – an seiner Seite sitzt ein Übersetzer für Arabisch, der jedes Wort vermittelt. Seinen Lebensunterhalt kann er auch nicht selbst bestreiten, obwohl er sich stolz als «international diplomierter Coiffeur» bezeichnet. Den Unterhaltszahlungen für seine Kinder kommt er nicht nach. Arbeitsangebote auf dem Bau lehnt er ab – zu kalt, sagt er. Eine Ausbildung zum Tierpfleger würde ihn hingegen reizen; in Djerba, erzählt er, habe er fünf Pferde und einen Hund.
Hier in der Schweiz hat er hingegen Schulden, Betreibungen und zwei Vorstrafen – eine wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, eine weitere wegen Drohungen gegen seine Ex-Frau. Seine Söhne sieht er jeden Sonntag. Zu Nadia, der Mutter seiner Kinder, hat er keinen Kontakt – aus Angst, wie er behauptet, sie könne ihn wieder falsch beschuldigen.
Zu Beginn der Herbstferien 2022 lauerte er Nadia um 5 Uhr früh am Zürcher Hauptbahnhof auf, die mit ihren Söhnen den Zug zum Flughafen Genf nehmen wollte, um in ihre Heimat zu reisen. Ein Freund hatte sie im Range Rover hergefahren, gerade griff sie nach dem Gepäck – da trat plötzlich ihr Ex-Mann aus dem Schatten.
Was dann geschah, bleibt umstritten. Nadia gab bei der Polizei an, er habe gedroht, sie mit einem Messer abzustechen. Er widerspricht: Er habe sich lediglich von seinen Söhnen verabschieden wollen. Sie sagte, er habe sie an den Haaren gerissen. «Unmöglich», entgegnet er, «als Muslim würde ich niemals das Kopftuch einer Frau berühren.» Sie behauptete, er habe sie als Hure beschimpft und geohrfeigt. «Lüge», erwidert er, «sie beschimpfte mich als dreckigen Hund.» – «Waren Sie eifersüchtig?», fragt der Richter. «Natürlich», gibt Jebali unumwunden zu. «Ich bin ein Mann. Sie sagte mir ins Gesicht, ihr neuer Partner sei männlicher, sauberer – und dass sie ihn heiraten werde.» Schliesslich sei es dieser Mann gewesen, der ihn attackiert und gewürgt habe, bis die Securitas eingriff. «Das ist die Wahrheit», sagt Jebali, «und ich hoffe, dass sie ihren Weg findet.»
Der Pflichtverteidiger hält es für taktisch klug, darauf hinzuweisen, dass sein Mandant wohl kaum so töricht gewesen wäre, ausgerechnet am Hauptbahnhof eine Straftat zu begehen – an einem Ort, der lückenlos überwacht wird. Zudem, so argumentiert er, sei die Klägerin seelenruhig in die Ferien gereist und habe erst nach ihrer Rückkehr die Opferberatung aufgesucht. Die Anschuldigungen, so macht er geltend, wirkten konstruiert, übertrieben und unlogisch. Polizei und Justiz seien seinem Mandanten mit Vorurteilen begegnet und hätten dessen kulturelle Anschauungen abgewertet.
Der Staatsanwalt hingegen fordert zusätzlich zur Schuldigsprechung auch einen fakultativen Landesverweis. Zwar seien die begangenen Delikte keine Katalogtaten, die einen obligatorischen Landesverweis vorsähen, doch das öffentliche Interesse sei offenkundig – und für den Beschuldigten sei eine Rückkehr nach Tunesien zumutbar. Integration habe er nie angestrebt, seit Jahren lebe er von der Sozialhilfe. «Herr Jebali drohte mit einem Femizid, ein Verbrechen, das jede zweite Woche geschieht.» Es wäre fatal, das zu bagatellisieren. Zudem sei er ein unbelehrbarer Wiederholungstäter, der das europäische Rechtssystem nicht anerkenne. Eine Scheidung nach Schweizer Recht habe er verweigert – für ihn gelte einzig das islamische Recht. «Es spricht herzlich wenig für seinen Verbleib in der Schweiz», resümiert der Staatsanwalt.
Die Richter folgen weder der Verteidigung noch der Staatsanwaltschaft. Sie bestätigen das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich: 150 Tage unbedingte Freiheitsstrafe. Einen Landesverweis lehnen sie als unverhältnismässig ab. Das Interesse der Kinder, ihren Vater regelmässig zu sehen, wiegt für sie schwerer als das Sicherheitsbedürfnis der Schweiz.
Ob es dem Kindswohl wirklich zuträglich ist, Umgang mit einem Vater zu halten, der hinter Gitter muss, weil er die Mutter bedroht und verprügelt hat – oder ob hier nicht vielmehr eine täterfreundliche Nachsicht triumphiert –, bleibt eine Frage, die im Gerichtssaal unbeantwortet verhallt.
* Persönliche Angaben geändert
Ist ja immer wieder das gleiche. Von einem Landesverweis wird abgesehen, weil - der Täter zu wenig Bezug zum Heimatland hat - weil die Interessen der Kinder höher gewichtet werden - weil das Vergehen zu gering ist - weil: u.s.w. Es wird immer wieder ein Grund gefunden, warum pfefferscharf von der Ausweisung abzusehen ist. Gebt doch gleich zu, dass ihr alle pfefferschaft hier behalten wollt!
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