Rettung für das Theater Stok
Lange war die Zukunft des Theaters Stok unklar. Jetzt steht fest: Ein neunköpfiges Kollektiv übernimmt die Leitung von Peter Doppelfeld und will das Haus als lebendige Kulturstätte erhalten. - Von Christian Saggese
Das Kollektiv (v.l.): Daphne Kokkini, Roger Nydegger, Sandrine Charlot Zinsli, Stefi Spinas, Luciano Marinello, Betty Dieterle, Ladina Bucher und Tobias Grimbacher (es fehlt Ivan Denes). Bild: SAG
Lange war die Zukunft des Theaters Stok unklar. Jetzt steht fest: Ein neunköpfiges Kollektiv übernimmt die Leitung von Peter Doppelfeld und will das Haus als lebendige Kulturstätte erhalten. - Von Christian Saggese
Beinahe wäre im Theater Stok das Licht für immer erloschen. Doch auf den letzten Metern gelang die Rettung, wenn auch anders, als es sich Stok-Leiter Peter Doppelfeld noch vor gut zwei Jahren erhofft hatte. Nach 34 Jahren an der Spitze übergibt er Ende Jahr sein Amt freiwillig an ein neunköpfiges Kollektiv, das das traditionsreiche Kleintheater in eine neue Zukunft führt.
Ein Blick zurück: Seit 55 Jahren bietet das charmante Haus am Hirschengraben eine Bühne für Theater, Musik, Tanz und Literatur, auf einer Spielfläche von gerade einmal vier x fünf Metern. Von Beginn an stand das Stok für Offenheit gegenüber Menschen, Sprachen und Ausdrucksformen. Peter Doppelfeld übernahm die Leitung 1992 gemeinsam mit Erica Hänssler, nach ihrem Tod 2016 führte er das Theater alleine, ab 2019 mit Christina Steybe weiter, und dies mit unermüdlichem Engagement.
Mit der Einführung des neuen städtischen Fördersystems im Bereich Tanz und Theater, vom Stimmvolk 2020 genehmigt, änderte sich vieles. Seither müssen kleinere Theater im Sechsjahresrhythmus um Beiträge ersuchen. Auch das Stok reichte ein Konzept ein, doch die Jury lehnte es ab. Man zweifelte unter anderem an der Umsetzungsfähigkeit. Die Entscheidung sorgte weitherum für Kopfschütteln. Über 6000 Menschen unterzeichneten eine Petition zur Rettung des Stok und des ebenfalls von Förderbeiträgen ausgeschlossenen Theaters Keller 62. Im Gemeinderat wurde über den Entscheid auch debattiert. Die beiden Kleintheater reichten noch Rekurs ein, doch, so Doppelfeld, «irgendwann ging es nur noch um Paragrafen, nicht mehr um Inhalte».
Als der Bezirksrat Anfang 2024 den Entscheid der Stadt bestätigte, spitzte sich die Lage zu. Zwar flossen noch zwei Jahre Abfederungsbeiträge, doch ab 2026 hätte das Theater plötzlich 60 000 Franken Jahresmiete zahlen müssen – zu viel für das kleine Haus. Peter Doppelfeld suchte nach Lösungen. Daraus resultierte ein neunköpfiges Kollektiv, das ab 1. Ja-nuar 2026 die Leitung übernimmt, ohne das alte Team. Die Schlüsselübergabe ist auf Jahresende geplant. «Uns komplett zurückzuziehen, war eine bewusste, wenn auch schwere Entscheidung», so Peter Doppelfeld und Christina Steybe.
Das neue Kollektiv vereint Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Kulturbereiche, Vielfalt bleibt also Programm (siehe Box). Die neun Personen haben eine enge Verbundenheit zum Lokal und sind dort teils selbst aufgetreten. Der finanzielle Aufwand ist nun zwar auf mehr Schultern verteilt, deswegen ist aber bei weitem nicht alles Sonnenschein. In den ersten Monaten, so das Kollektiv, sei man ohne Fördergelder vor allem auf die Miet-einnahmen durch Fremdveranstaltungen angewiesen. Wie zusätzlich Geld verdient werden soll, wird noch diskutiert. Alle Entscheidungen werden künftig gemeinsam getroffen. Noch arbeitet das Team ehrenamtlich, hofft aber, sich künftig eine kleine Entschädigung auszahlen zu können.
Neben dem Erhalt des Stok-Geistes will das Kollektiv auch eigene Akzente setzen. Investitionen in die veraltete Technik stehen ganz oben auf der Liste. «Scheinwerfer, Licht- und Tonanlage sind nicht mehr auf dem aktuellen Stand und sollen möglichst schon im nächsten Jahr erneuert werden», sagt Luciano Marinello. Ladina Bucher ergänzt: «Mit einer flexibleren Bestuhlung würde der Raum auch für Tanzaufführungen attraktiver.» Zudem plant das Kollektiv monatliche Eigenveranstaltungen: Der letzte Montag im Monat soll künftig im Zeichen gemeinsamer Kunst stehen. «An diesen Abenden wollen wir unsere verschiedenen Sparten verbinden und feiern», erklärt Betty Dieterle. Daphne Kokkini ergänzt: «Uns ist die Verbindung zum Quartier wichtig – mit grossem Apéro und Zeit für Begegnungen.» Auch thematische Reihen sind geplant. «Wir haben viele Ideen», sagt Tobias Grimbacher, «doch im Moment stehen die Geschäftsübernahme und die reibungslose Vermietung im Vordergrund.» Letztlich will sich aber auch nicht das Kollektiv als Hauptorganisator verstanden wissen, vielmehr betonen sie: «Unsere Bühne gehört euch!» Noch sind einige Lücken in der Agenda frei.
Peter Doppelfeld geht mit einem lachenden und weinenden Auge: «Ich hätte das Theater gern mit Unterstützung der Stadt weitergeführt. Nun bin ich aber froh, dass das Stok überhaupt eine Zukunft hat und von engagierten Leuten übernommen wird.»
Welch eine erfreuliche Entwicklung! Wir wünschen dem neuen Team viel Elan, Durchhaltevermögen und weise Führung ihrer Programmgestaltung. Heidi Walter (ehemals Stokowa ) und Karl Straub
Karl Straub und Heidi Walter (Stokowa) antworten
Lade Fotos..