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Album

Das wahre Leben

Von: Rita Angelone

30. Januar 2018

Setzt man sich in den Bus, überkommt einen dieses mulmige Gefühl, in einem Mikrokosmos voller Aliens gelandet zu sein, den man so schnell, wie es nur geht, wieder verlassen will. Links und rechts ist man umgeben von in sich gekehrten Lebewesen, die ihre eigentlich ins Leere starrenden Augen mechanisch auf ihre Smartphones richten. Vor und hinter einem sitzen sie mit ihren Stöpseln in den Ohren, völlig abgekapselt, und wollen weder etwas hören noch sehen von der realen Welt. Wehe, man richtet seinen Blick eine Sekunde zu lang auf einen Ausserirdischen, Gnade Gott, man berührt gar einen beim Ein- oder Aussteigen oder wagt ihn anzusprechen, wenn man sich neben ihn setzen muss – ein nonverbaler Ausdruck der tiefsten Ablehnung ist einem als Reaktion sicher!

Wie musste ich lachen, als kürzlich eine fröhliche, laute und äusserst energiegeladene Schulklasse diesen himmeltraurigen Mikrokosmos auf Rädern regelrecht stürmte und ein paar Kilometer lang in eine schrille Villa Kunterbunt verwandelte und die vor Lebensfreude nur so strotzte. Im Nu erfüllte die Kinderschar den Bus an diesem surrealen Morgen mit Leben. Mit wahrem Leben! Das helle Kinderlachen, die lauten Gespräche und das lebendige Herumwuseln der Kinder bewegten den einen oder anderen Fahrgast dazu, seinen Blick vom Smartphone zu lösen oder gar den Stöpsel aus dem Ohr zu ziehen, um etwas genauer hinzuhören, was das denn für eigenartige, ja gar unbekannte Töne waren, die aus einer andern Welt zu stammen schienen. Töne, die trotz grösster Abkapselungsbemühungen für einmal nicht ausgeblendet werden konnten. Vielleicht deshalb, weil sie ihr Herz berührten? Weil sie die Aliens an ihre eigenen fröhlichen Kindheitstage auf dem Pausenplatz, in der Badi oder auf dem Sportplatz erinnerten? Töne, die all die Aliens im Bus für einen Moment lang an ihr wahres Leben erinnerten?

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