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Album

Der Duft der alten Zeiten

Von: Rita Angelone

01. März 2016

Düfte haben eine unwiderstehliche Wirkung auf mich. Sie wecken ganz unerwartet Erinnerungen und Gefühle in mir, die mich schlagartig und intensivst in vergangene Zeiten zurückversetzen. So wie dieser betörende Duft in dieser kleinen Braunwaldner Bäckerei.


Von einem Augenblick auf den anderen war ich wieder die kleine Rita, die am frühen Abend an der Hand der Mutter zum Schwandner Begg am Chrüzplatz ging, um noch ein Tessinerbrot oder – ­immer freitags – zwei deftige Stücke Mohrenkopfkuchen zu holen, bevor mein Vater von der Arbeit heimkehrte und wir den Feierabend oder das Wochenende einläuten konnten.


Genauso einzigartig wie diese Patisserie, die mit viel Vanillecreme gefüllt und mit dicker Schokolade überzogen war, war auch der einnehmende Duft, der aus der Backstube kam. Nie hatte ich mich gefragt, weshalb es bei unserem Begg so herrlich duftete, weil es einfach selbstverständlich war. Doch genau in dem Moment, als ich diese Glarner Bäckerei betrat, realisierte ich, dass ich diesen Duft seit Jahren nicht mehr wahrgenommen hatte, ohne den Grund dafür zu kennen.


In dieser Backstube wird eben noch nach alter Väter Sitte «gehebelt». Der Bäcker leistet jeden Abend eine grosse Vorarbeit, indem er den Teig vorproduziert. Anschliessend lässt er den Hebel, also den Vorteig, lange ruhen, was ihm die Möglichkeit gibt, diese unverkennbaren Duftstoffe sowie ein ganz besonderes Aroma zu entwickeln.


«Wissen Sie», beantwortete die Bäckersfrau meine naive Frage, «das ist eben noch richtiges Handwerk. Heute leistet sich das niemand mehr. Geniessen Sie es, solange Sie noch können!»


Rita Angelone (47) hat zwei Kinder (9 und 7) und schreibt jede Woche über den ganz normalen Wahnsinn ihres Familienalltags.

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