Sibylle Ambs ist selbständige Texterin und Journalistin.

Einmal neu geboren

Sibylle surft

Neulich bin ich kurz gestorben und wiedergeboren worden … Nein, ich hatte keinen Virus und brauchte auch keinen Arzt. Meine Identität allerdings wurde stark angeknackst und halb ausgelöscht. Was ist passiert? Meine Kreditkarte wurde gehackt und daraufhin von meinem sehr aufmerksamen Kartenanbieter gesperrt. Per sofort! Oh. Mein. Gott. Eines vorweg: Der finanzielle Schaden war um ein Vielfaches geringer (es ging lediglich um einen Dollar) als das Chaos, das anschliessend in meinem kleinen Leben ausbrach. Denn auf einen Schlag war mehr als die Hälfte meiner ach so schlauen Apps von jetzt auf gleich sozusagen total nutzlos. Die Park-App, die ZVV-App, die SBB-App … ganz zu schweigen von meinem Gesichtscreme-Abo und, ganz ganz ganz schlimm, dem Amazon-Kindle-Buch-Abo.

Bei tieferer Recherche stiess ich noch auf eine Reihe weiterer Dienste, die mir innerhalb der nächsten paar Tage eiskalt abgestellt wurden (wie gerade die Heizung in meinem Atelier. Dabei läuft die definitiv nicht über die Kreditkarte!): Kein unbegrenztes Musik- und Podcastvergnügen mehr, keine Adobe-Programme auf dem Mac und, Graus oh Graus, kein Binge Watching mehr auf Netflix oder Amazon Prime. Ganz zu schweigen vom schnellen Zücken der Karte im Restaurant oder im Schuhladen.

Mühsam wurde auf andere schon fast vergessene Zahlungsmittel ausgewichen oder sogar, schon fast mittelalterlich anmutend, zu Bargeld gegriffen. Ich sags ja: Mein Leben war irgendwie weg oder zumindest nicht mehr wie in der Prä-Kreditkartensperrzeit. Was war ich froh, als nach ein paar Tagen endlich die neue Karte eintrudelte und ich die nächsten drei Stunden mit der Behebung des Schadens am Handybildschirm hing … Die Erkenntnis allerdings, dass mein halbes Leben auf einer 16-stelligen Nummer auf einer Plastikkarte basiert, ist aber doch ziemlich ernüchternd.

zurück zu Album