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Album

Endlose Trauer

Von: Rita Angelone

11. Mai 2021

Die Angelones

Vier Jahre sind vergangen, seit mein Vater gestorben ist. Auch nach so langer Zeit beschäftigt mich dieser Verlust immer noch jeden Tag und jede Nacht. Darüber zu reden, fällt mir nicht einfach, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass nicht wenige Menschen mit einer so lan- gen Trauerphase Mühe bekunden. Der Tod und vor allem die Trauer sind in unserer Gesellschaft – auch wenn sie sich gegen aussen einen ver- ständnisvollen und toleranten Anstrich zu geben versucht – immer noch ein Tabu-Thema.

Trauern ja, aber bitte in einer angebrachten Art und Weise und während einer angemessenen Dauer. Redet man zu früh und zu viel über die eigene Trauer, eckt das an. Wieso redet diese Person so früh über solche private Angelegenheiten? Müsste sie das nicht zuerst verar- beiten, bevor sie – vielleicht sogar öffentlich – darüber spricht oder schreibt? Redet man aber nicht über die eigene Trauer, ist das auch nicht recht. Wieso sagt diese Person nichts? Fühlt sie gar nichts? Weint man, wird das für Aussenstehende bald einmal lästig, lacht man, wirkt das suspekt.

Aus Studien weiss man, dass tiefe Traurigkeit innerhalb von wenigen Minuten abfärbt. Die meisten Men- schen wenden sich deshalb von tieftraurigen Menschen schnell ab und wünschen sich, dass die Trauer schnell vorbeigeht. Heute wird Trauernden nur eine kurze Zeit von der Gesellschaft zugestanden, bis erwartet wird, dass sie wieder «funktionieren».

Funktionieren tue ich schon lange wieder – keine Angst. Vier Jahre nach dem Verlust meines Vaters bin ich wohl langsam, aber sicher bei der letzten Etappe des Trauerprozesses angelangt, der sogenannten Akzep- tanzphase. Nur: Das heisst, dass ich jetzt unmissverständlich begriffen habe, dass er nie wieder zurückkehren wird, dass ich auch meine Mutter verlieren, dass auch ich einmal sterben werde, dass es vor dem Tod kein Entrinnen gibt. Mir scheint, als hätte damit bei mir die eigentliche Trauer erst angefangen ...

Blog: www.dieangelones.ch

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