Fensterplatz

Die Angelones

Meine Welt ist sehr klein geworden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich alles nur noch um meine eigene Achse dreht. Wenn ich nicht gerade meine täglichen 10 000 Schritte im Wald zu absolvieren versuche, tigere ich im Haus herum oder sitze an meinem Arbeitsplatz und schaue so viel aus dem Fenster wie nie zuvor. Das hat aber alles andere als nur Beschränkendes an sich, sondern auch sehr viel Lehrreiches. Denn, was ich da draussen in Form eines eigentlichen Dokumentarfilmes, der in Dauerschlaufe läuft, alles beobachten kann, hat höchsten Weiterbildungscharakter!

Morgens schaue ich aus dem Küchenfester nach Osten und beobachte beim Vorbereiten des Frühstücks den Sonnenaufgang, der je nach Wetter mit einem anderen Farbenspiel überrascht. Dabei versuche ich empirisch nachzuvollziehen, ob Bauernregeln wie «Morgenrot, Schlechtwetter droht» stimmen oder nicht. Später im Badezimmer sehe ich vom Fenster aus auf unseren Kiwi-Baum, der zig heimischen Vögeln Unterschlupf bietet. Sie beobachten mich bei meiner morgendlichen Routine und kennen mich so gut, dass sie nicht einmal mehr dann davon fliegen, wenn ich mich aus dem Fenster lehne, um sie zu fotografieren. Auch ich kenne sie, denn ich bin in den letzten Monaten zur Ornithologin avanciert. Ich weiss, wie sie aussehen, wie sie heissen, was sie fressen, wie sie zwitschern und pfeifen und wer wen mag beziehungsweise wer wem aus dem Weg geht.

Zu meinen Lieblingen gehört – nebst meiner Number One, dem Rotbrüstli – nun auch eine weiss-schwarz gefiederte Amsel, die uns täglich mehrmals besucht, um die Beeren in unserem Garten zu picken, und die ich direkt vom Bürofenster aus beobachten kann. Das Besondere an dieser Amsel: Sie hat Leuzismus, eine hübsche Laune der Natur, aufgrund welcher, so wie ich erforscht habe, bei einem Teil ihrer Federn die dunklen Pigmente fehlen. Der verpönte Fensterplatz aus der Schule erweist sich in meinem Fall seit Monaten als Segen in Sachen Naturkunde!

Blog: www.dieangelones.ch

zurück zu Album