mobile Navigation

Album

Alles im Griff auf dem Zürichsee (v. l.): Das Team

Jeder sein eigener Kapitän

Von: Sibylle Ambs-Keller

20. August 2019

Sie sind weit über das Zürcher Seebecken hinaus bekannt, die nostalgischen rot-weissen Pedalos der Bootsvermietung Enge. Und bald schon gibt es ein weiteres Novum am linken Seeufer: Elektromotorboote. «Tagblatt»-Redaktorin Sibylle Ambs hat das motivierte Team im Rahmen der Reihe «Am Puls» getroffen.

«Ich hätte nie gedacht, dass ich den Zuschlag bekomme!» Er ist noch keine 40 Jahre alt und hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Dafür hat Andreas Ingold, ehemaliger Verkaufsleiter in der Musikbranche, viel gewagt und alles auf eine Karte gesetzt. Sein Plan ist aufgegangen: Seit Saisonbeginn ist er der neue Pächter der Bootsvermietung Enge am Mythenquai 25. Mit einem Konzept voller Herzblut und vielen innovativen Ideen gelang es ihm, erfahrene Mitbewerber auszustechen. «Privat habe ich schon länger ein Boot auf dem Zürichsee. Zudem habe ich den Hochseeausweis», erzählt der sympathische 39-Jährige. «Trotzdem war ich überrascht und natürlich sehr erfreut, dass ich als Branchenexterner die Stadt Zürich als neuer Pächter überzeugen konnte.»

Es ist ein strahlend heisser Sommertag, noch sind Sommerferien und die Kundschaft setzt sich aus daheim gebliebenen Zürchern und Touristen aus der ganzen Welt zusammen. Neben den weit über den Zürichsee hinaus bekannten rot-weissen Aluminiumpedalos, die für eine Portion Nostalgie zwischen trendigen Stand-up-Paddlern und schnittigen Motorbooten sorgen, kann man bei Andreas Ingold auch Ruder- und kleine Motorboote mieten. Für diese braucht es keine Prüfung, nur für zwei stärker motorisierte Motorboote benötigt man einen Motorbootführerschein für Binnengewässer. «Das grösste und leistungsstärkste Boot ist zurzeit gerade auf dem See. Es wurde von einer Gruppe Holländer gemietet», so Andreas Ingold. Bei denen mache er sich keine Sorgen, denn die hätten bereits Bootserfahrung in den Grachten gesammelt.

Wer das Boot zum ersten Mal mietet, muss einen entsprechenden Ausweis vorweisen und über 18 Jahre alt sein. Zudem wird er vom Team genauestens instruiert: Es müssen immer mindestens 150 Meter Abstand zum Ufer und 50 Meter zu Kursschiffen sowie Fischerbooten mit einer Schleppangel eingehalten werden. Zudem darf man mit sämtlichen Booten und Pedalos vom Steg aus grundsätzlich nur nach rechts in See stechen. Denn biegt man links ab, kommt schon bald die Bürkliplatz-Anlegestelle, und es wird eng mit den Kursschiffen.


Die Stimmung auf dem grossen Steg mit dem eleganten Dächlikappen-Häuschen ist locker und entspannt, trotz des zeitweise grossen Andrangs an der Kasse. «Wir sind insgesamt zehn Leute», so Andreas Ingold. «In der Hochsaison haben wir von zehn Uhr morgens bis acht, manchmal neun Uhr abends geöffnet.» Die Hälfte des bestehenden Teams hat Andreas Ingold vom früheren Pächter übernommen. Die meisten aus dem Team sind Studenten und Schüler oder arbeiten saisonal, wie Ski- und Snowboardlehrer Scott Braunschweig aus Zürich: «Ich kenne Andi schon lange. Es freut mich sehr, kann ich jetzt für ihn arbeiten.» Der 37-Jährige hat die Bootsprüfung und hat sogar schon eine Weile auf einem Hausboot gelebt. Er liebt das Wasser, deshalb ist die Arbeit bei der Bootsvermietung genau das Richtige für ihn. «Das Schönste ist, am Morgen als einer der Ersten an den See zu kommen, in Ruhe einen Kaffee zu trinken und entspannt mit der Arbeit zu beginnen.» Ist es nicht auch anstrengend, mit den Booten zu manövrieren und mit der sehr unterschiedlichen Kundschaft klarzukommen? Scott Braunschweig lacht: «Ich habe drei Jahre lang ein Restaurant an der Langstrasse geführt, das war bei weitem anstrengender.» Und längst nicht so ruhig wie hier am See. Heute sitzt zur Unterstützung auch Andreas Ingolds Mutter im Kassenhäuschen. Barbara Wettstein-Klein­ecke ist eigentlich pensioniert, hilft aber am Wochenende auf dem Bootssteg aus: «Ich unterstütze Andreas gerne bei der Realisierung seines Traums. Die Arbeit hier macht mir grossen Spass und mit meiner Erfahrung kann ich auch eine gewisse Ruhe einbringen. Ich behalte auch in stressigen Situationen einen kühlen Kopf.» Als frühere Dolmetscherin kann sie hier zudem ihre Sprachkenntnisse bestens einsetzen.

Inzwischen sind die Holländer von ihrem Bootstrip zurückgekehrt. «Alles in Ordnung!», ruft Scott seinem Chef nach einem ersten Augenschein im inzwischen am Steg verankerten Boot zu. «Natürlich bin ich immer froh, wenn nichts beschädigt wurde und – viel wichtiger – kein Unfall passiert ist», so Andreas Ingold. Die Holländer sind hochzufrieden mit ihrem Ausflug und die Familie Urbaniak steht bereits in den Startlöchern, um das Boot als Nächste zu übernehmen. Sie machen einen Ausflug mit ihren beiden Kindern. «Ich bin das Boot schon öfter gefahren. Heute haben wir unseren Reifen mitgebracht, den wir hinten am Boot befestigen wollen.» Dieser wird bereits von einem hilfsbereiten Mitarbeiter von Andreas Ingold aufgeblasen.

Neben dem grossen Motorboot hat Ingold sämtliche kleineren Boote, Pedalos und Ruderboote vom alten Pächter übernommen. «Das war eine relativ grosse Investition für mich. Aber ich wollte einerseits die alten Aluminiumpedalos erhalten, andererseits möchte ich die Motorbootflotte ausbauen.» Für seinen Traum hat Andreas Ingold seit Saisonbeginn im März sieben Tage die Woche zwischen 15 und 18 Stunden durchgearbeitet. «Natürlich kann das nicht die nächsten Jahre so weitergehen, aber ich wollte einen guten Start hinlegen, und dafür muss man viel investieren, nicht nur Geld.»

Denn neben einem tollen Team und familiär-entspannter Stimmung auf dem Bootssteg will er mit seiner Bootsvermietung einen Schritt in die Zukunft wagen: Als Erster auf dem Zürichsee wird er spätestens zu Beginn der nächsten Saison Elektromotorboote am Start haben. Zurzeit sind die ersten drei Boote in der Werft in Tiefenbrunnen in der Endmontage. Beim Konzept und Design hat er selber mitgewirkt, denn er möchte, dass seine Kundschaft künftig noch mehr Zeit auf dem See verbringt und diese richtig geniessen kann. So werden die E-Boote mit einem grossen Tisch ausgestattet sein, an dem die ganze Gruppe picknicken kann. Über eine Rampe kann man direkt ins Wasser gleiten. «Um mit den E-Booten richtig durchzustarten, musste ich eine Lösung für leistungsstarke Aufladestationen finden.» Auch sollten die Batterieleistungen einen ganzen Tag durchhalten, damit die Boote über Nacht aufgeladen werden können. Und wie sieht es mit der Motorenleistung aus? «Die erlaubte Geschwindigkeit von 10 Kilometern pro Stunde hier auf dem See werden sie genauso erbringen wie die Benzinmotoren.» Neben der Umwelt freut sich auch das Team über die Neuanschaffung. Scott Braunschweig: «Dann fallen Benzinbeschaffung und Auftanken weg und auch die lästigen Reparaturen, wenn mal wieder der Tankgeber nicht mehr funktioniert.»

zurück zu Album

Artikel bewerten

Gefällt mir 4 ·  
5.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare