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Album

Pause auf der Lebenstreppe

Von: Rita Angelone

07. Juni 2016

Statt wie immer vormittags besuchte ich kürzlich für einmal am Nachmittag das Einkaufszentrum bei uns in der Nähe. Dabei ist mir etwas aufgefallen, das ich so sonst nie bemerkt hätte: Um die grosse Gelateria im Parterre sassen nicht etwa Mütter mit ihren Kindern, sondern einige Seniorinnen und Senioren, alleine oder zu zweit, aber alle vor einem Chübeli Glace!


Bilder von Lebenstreppen schossen mir durch den Kopf. Diese oftmals gruseligen Darstellungen des Verlaufs eines Menschenlebens in meist zehn Lebensaltersstufen vom Kind zum Greis, die zeigen, dass das Leben wie im Bogen verläuft und dass der Mensch im Alter wieder zum eigentlichen Kind wird, das vieles nicht mehr kann und auf Unterstützung angewiesen ist. Auch wenn diese Darstellungen Angst vor dem Altern wecken, so ist diese Facette des Alters, die ich an diesem Nachmittag erblickte, eine schöne: Einfach friedlich dasitzen und geniessen können. Dabei spielt die Zeit, genau wie bei Kindern, keine Rolle. Genauso wenig wie die Frage, ob eine Glace jetzt wirklich angebracht sei oder ob auch ein bisschen gekleckert werden dürfe.


Wir, die in der Mitte des Lebensbogens stehen, haben in der Hektik des Alltags verlernt, uns einfach so, vielleicht für eine Glace, Zeit zu nehmen; es sei denn, unsere Kinder oder unsere betagten Eltern links und rechts der Lebenstreppe hielten uns – zum Glück – hin und wieder dazu an. Ältere Menschen zu sehen, die wie Kinder zufrieden an einer Glace schlecken, hat mir alles andere als Angst vor dem Alter gemacht, sondern das Herz geöffnet – und an diesem Nachmittag setzte ich mich, all meinem selbstauferlegten Stress zum Trotz, auch grad hin.

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