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Album

Vielsagende Schulzimmerblicke

Von: Rita Angelone

15. November 2016

Damals fand der Schulbesuchstag noch am Samstagvormittag statt. Wann sonst hätten Eltern die Zeit gefunden, ihre Kinder in der Schule zu erleben? Selbst samstagvormittags war es nicht selbstverständlich, dass es allen passte, denn die Sechstagewoche war damals nicht nur in der Schule noch die Norm. Auch gab es dannzumal einen einzigen Schulbesuchstag pro Jahr und entsprechend wichtig war dieser Tag im Leben einer Familie mit Schulkindern. Wie es sich für Highlights gehört, pützelten mein Vater – er war es nämlich, der mich stets begleitete – und ich uns jeweils heraus, um als Ausländerfamilie eine gute Figur zu machen. Mein Vater ging stets in Anzug und Krawatte zum Besuchstag, ich mit adrett gebundenem Pferdeschwanz. Am Besuchstag gab ich mir noch mehr Mühe als sonst aufzustrecken und der Lehrer schaute sorgfältig darauf, dass jedes Kind, das einen Elternteil dabei hatte, sich entsprechend in Szene setzen konnte. Denn dies war das eigentliche Ziel des Besuchstages: Ich wollte meinem Vater zeigen, dass ich eine gute und angepasste Schülerin war, und für ihn war es die grösste Genugtuung, zu sehen, dass sein Kind keine Probleme in der Schule hatte und integriert zu sein schien. Nach einer richtigen Antwort gab es drum auch immer diesen komplizenhaften Blickaustausch zwischen uns, dieses gegenseitige Zeichen für «es läuft gut, wir haben bis jetzt alles gut hingekriegt», das uns beide mit Zufriedenheit und Stolz erfüllte. Zum Glück verlaufen die Besuchstage heute in jeder Sicht viel entspannter. Was aber bleibt, trotz anderen Zeiten, sind diese einzigartigen Schulzimmerblicke zwischen Eltern und Kindern, die Bände sprechen und mitten durchs Herz gehen, wenn man sie erhascht!

Rita Angelone (48) hat zwei Kinder (10 und 8) und schreibt über den ganz normalen Wahnsinn ihres Familienalltags. www.dieangelones.ch

 

 

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